Marschfeuer - Kriminalroman
hatte.
»Affekt scheidet aus«,
sagte Lyn, während sie ihren Teller an Hendriks schob und seine aussortierten
Oliven auf ihren Teller hievte. »Ich darf doch, Kollege?«
»Wieso scheidet Affekt
aus?«, hakte Thilo nach.
»Na, überleg doch mal:
Der Täter hat Jacobsens Leichnam präpariert. Er hat ihm zwei Zähne gezogen, um
ihn wie Hühner-Waldi aussehen zu lassen. Der Leichnam trug Hühner-Waldis Ring.
Also steht doch wohl fest, dass der Täter die Tat geplant hat. Er hat vor Hinrich
Jacobsen Waldemar Pankratz getötet. Der Täter ist ein eiskalter Killer.«
***
Kevin Holzbach zuckte
zusammen, als neben ihm auf dem Schreibtisch der Eminem-Song »Not afraid«
lostönte. Er griff nach seinem Handy. »Jana« stand auf dem Display über der
Nummer.
»Hi, was gibt’s?«
Während er, das Telefon zwischen Wange und Schulter geklemmt, seiner Freundin
lauschte, öffnete er die obere Schublade seines Schreibtischs und nahm ein
Tabakpäckchen heraus.
»Nee, heut nicht, Maus,
komm morgen Abend vorbei … Ja, okay, wir quatschen dann morgen weiter. Ich muss
mich jetzt auch vom Acker machen. Die Mittagspause ist zu Ende. Hdl.« Er
drückte sie weg, steckte das Handy in den Latz seiner Arbeitshose und zog den
kaum noch haftenden Klebeverschluss des Tabakpakets auf.
Grinsend nahm er die zur
Hälfte gefalteten Fünfzigeuroscheine heraus und steckte zwei davon ebenfalls in
den Hosenlatz.
Ein schriller Ton ließ
ihn erneut zusammenzucken. »Boah, shit , ist das hier
‘n Bahnhof, oder was?«, fluchte er und starrte zu seiner Wohnungstür, an der
erneut jemand klingelte. Er grapschte nach dem Tabakpäckchen, als er aufsprang,
und stopfte es unter seine Bettdecke.
Als er die Wohnungstür
öffnete, schwoll die Ader an seinem Hals an. »Was willst du ‘n hier, Alter?«
Markus Lindmeir verzog
keine Miene. »Hi, Gonzo! Dachte, ich besuch mal meinen Exkumpel.«
Kevin Holzbach blieb in
der Tür stehen. »Auf die Fresse kannst du kriegen. Lass uns endlich in Ruh.«
»Ach, hat sie noch nicht
die Schnauze von dir voll? Ist mir scheißegal. Kannst du dir nicht denken,
warum ich hier bin?«
Kevins Holzbachs
Herzschlag nahm Fahrt auf. Er sagte kein Wort.
»Onkel Hinrich ist tot.
Abgemurkst.«
Beide musterten sich
gegenseitig.
»Und?«, sagte Kevin nach
langen Sekunden, in denen er gehofft hatte, dass Markus Lindmeir weitersprechen
würde. »Das ist auf der Werft Gesprächsthema Nummer eins. Erwartest du etwa
‘nen Trauerflor?« Er deutete auf den Ärmel seiner Arbeitsjacke.
»Ich weiß noch nicht,
was ich erwarte. Aber ich behalt dich im Auge, Kumpel. Darauf kannst du einen
lassen.«
»Verpiss dich!« Kevin
Holzbach schob Markus Lindmeir von der Tür weg, griff nach dem Mopedschlüssel
auf der kleinen Kommode und zog die Tür hinter sich ins Schloss. »Ich muss los.
Die Mittagspause ist lange zu Ende.«
»Grüß unser Mäuschen!«,
sagte Markus Lindmeir, als Kevin ihn auf der Treppe des Mehrparteien-Wohnhauses
überholte und an die Wand rempelte.
***
»Markus Lindmeir ist
adoptiert?«, fragte Lyn erstaunt, als Hendrik im Besprechungszimmer den
Kollegen von der Vernehmung Paul Lindmeirs berichtete.
Hendrik nickte. »Paul
Lindmeir und seine verstorbene Frau haben den Jungen vor achtzehn Jahren als
Baby adoptiert. Corinna Lindmeir konnte keine Kinder bekommen.«
»Wann und woran ist
seine Frau gestorben?«, hakte Lukas nach.
Hendrik kam nicht dazu
zu antworten. Barbara Ludowig war schneller. »Sie starb vor fünf Jahren. Herr
Lindmeir hat sie gefunden, als er nach Hause kam. Sie lag in der Küche. Um sie
herum lauter Erdbeeren.«
Lukas starrte sie an.
»Erdbeeren?«
»Sie hatte eine
Hirnblutung. Aus dem Leben gerissen, während sie eine Schüssel mit Erdbeeren
auf den Tisch stellen wollte. Grässlich, nicht?« Barbara stand auf und griff
nach der Kaffeekanne. »Wenn ich mir vorstelle, dass ich einfach umkippe,
während ich mir einen Kaffee einschenke …«
»Das kann bei Birgits
Kaffee immer passieren«, sagte Hendrik, »auch ohne Aneurysma.«
Lyn hörte schweigend zu.
Barbie war also dabei gewesen, als Hendrik Paul Lindmeir vernommen hatte. Warum
hatte er es beim Mittagessen nicht erwähnt?
»Kaffee, Hendrik?«
Barbara Ludowig lehnte sich mit der Kanne über den Tisch und eröffnete so einen
großzügigen Blick in ihre enge Bluse, der– nach Lyns Meinung– ein weiterer
geschlossener Knopf nicht geschadet hätte.
Lyn hasste sich dafür,
dass ihr Blick zu Hendrik glitt, um zu sehen, ob er das freizügige
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