Marschfeuer - Kriminalroman
Gruß.
»Und, haben Sie schon
rausgefunden, wo unser Hühner-Waldi abgeblieben ist? Und wer den alten Jacobsen
von der Beidenflether Werft auf dem Gewissen hat? Das Dorf spricht ja von nix
anderem mehr. So was erlebt man sonst ja nur im Film.«
Lyn bezahlte ihre Wurst,
tunkte sie großzügig in den Senf und biss ab. »Wir sind dran«, sagte sie
kauend.
»Versteh schon. Sie
würden mir sowieso nix sagen, oder? Dienstgeheimnis. Darf ich Sie denn auf ein
Bier einladen?« Jörg Steffens deutete auf die Holzbude. »Da stehen auch ein
paar Damen vom Gesangsverein. Ist ‘ne lustige Runde.«
Lyn blickte sich kurz zu
ihren Gästen um. Während Bernd die dritte Schinkenwurst verdrückte, unterhielt
Fleischhasserin Miriam sich mit Henning Harms. Sophie tobte mit Barny auf dem
Sportplatz herum. »Warum nicht?«, sagte Lyn. Niemand vermisste sie.
Das Fassbier schmeckte
lecker, und der Gesangsverein erwies sich als humorvoll und trinkfest. Nach der
zweiten Bierrunde zückte Lyn ihr Portemonnaie. »Die nächste Runde gebe ich
aus.« Sie löste sich aus der Gruppe, trat an den dicht belagerten,
provisorischen Tresen und orderte ein Tablett Bier.
Während sie wartete,
drückte sich neben ihr jemand an den Tresen und grölte: »Zwei Pullen Sekt! Pronto !«
Lyn wandte den Kopf.
Gonzo!
Kevin Holzbach nahm sie
im gleichen Augenblick wahr. Einen Moment musterten sie sich gegenseitig.
Das junge Mädchen hinter
dem Tresen nahm zwei Sektflaschen aus dem Kühlschrank und stellte sie vor Kevin
ab. »Zwanzig Euro, Gonzo!«
»Haben Sie was zu
feiern, Herr Holzbach?« Lyn deutete auf die beiden Flaschen.
»Ist das ‘ne dienstliche
Frage?« Während Kevin sie musterte, klemmte er sich die beiden Flaschen unter
den Arm, griff in die Brusttasche seiner Jeansjacke, entfaltete zwei
zusammengeknüllte Fünfzigeuroscheine und warf einen davon auf den Tresen.
»Nein. Das ist reine
Konversation.«
Er grapschte nach den
Wechselgeldscheinen und stopfte sie in die Hosentasche. »Na, dann, tschüs.«
Lyn blickte ihm
hinterher. Er steuerte auf das Fußballtor zu, wo Charlotte und ihre Clique
standen.
»Ihr Bier!«, riss die
Bedienung Lyn aus ihrer Betrachtung. Lyn zahlte und balancierte das Tablett
durch die Menge.
»Ah, Nachschub«, sagte
Jörg Steffens, als sie den Stehtisch erreichte. Er verteilte die Becher an die
Umstehenden. »Stört Sie hoffentlich nicht, dass wir uns gerade ‘n bisschen über
Ihren Fall unterhalten. Ist schließlich das Gesprächsthema. So was bietet einem ja nicht mal ein ›Tatort‹.«
Lyn zuckte die Achseln.
»Solange Sie von mir keinen Beitrag erwarten«, … bin ich für jede Information
dankbar, fügte sie in Gedanken hinzu.
»Das hat der alte
Jacobsen nicht verdient«, führte eine der Gesangsvereinsfrauen das Gespräch
fort. »Er ist meinem Jochen immer ein guter Chef gewesen. Ich ziehe jetzt noch
meinen Hut«, sie machte eine entsprechende Geste, »dass er sich geweigert hat,
die billigeren ausländischen Arbeiter zu holen. Dann wär mein Jochen vielleicht
entlassen worden, oder dein Mann, Jutta.« Sie blickte ihre Chorschwester an.
»Ja, schon«, stimmte die
ihr zu, »dafür war er in anderer Beziehung ziemlich rückständig. Schließlich
hat er Sabrina abgelehnt. Obwohl sie ein tolles Zeugnis hatte.«
Die Vorsitzende des
Gesangsvereins sah Lyn an. »Juttas Tochter hat jetzt eine Lehrstelle auf der
Wewelsflether Werft, aber sie hatte sich auch als Maschinenschlosserin auf der
Jacobsen-Werft beworben. Sabrina wurde nicht mal zu einem Bewerbungsgespräch
eingeladen.« Ihre Stimme senkte sich.
»Von der Kollegin der
Chefsekretärin wissen wir, dass der alte Jacobsen darauf bestand, keine Mädchen
in Männerberufen auszubilden. Der hatte noch dieses Drei K-Frauenschema im
Kopf. Sie wissen schon: Kinder, Küche, Kirche. Woanders hatten Frauen für den
nichts verloren. War einer vom alten Schlag.« Sie nahm einen Schluck Bier. »Der
Lindmeir hätte die Sabrina vielleicht genommen. Der ist in der Beziehung nicht
so konservativ.«
»Aber dass der alte
Jacobsen so aus der Welt geht … Nee, das verdient keiner«, sagte Jörg Steffens.
Nickend griff die
Vorsitzende in die Taschen ihres Parkas und zog diverse kleine
Schnapsfläschchen heraus. »Darauf trinken wir einen.« Sie stellte eines der
Fläschchen vor Lyn ab. »Den müssen Sie mittrinken, Frau Harms. Ist ein
Schlüpferstürmer.«
Lyn starrte auf das Etikett.
»Das Zeug heißt ja wirklich so.«
»Glauben Sie, ich lüge
in Gegenwart der Polizei?« Die
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