Marschfeuer - Kriminalroman
Lukas
Salamand, »jetzt ist Feierabend. Und unser aller Privatleben kann mal wieder
etwas Belebung gebrauchen. Die letzten Wochen waren echt anstrengend.«
Lyn musste sich zwingen,
ihren Blick von Barbara zu lösen. Sie hatte noch etwas vor? Heute war Dienstag.
Hendriks Handballtraining-Tag. Eigentlich.
»Was machst du denn noch
Hübsches heute?« Lyn lächelte die Praktikantin an.
Barbara Ludowig warf
ihre blonde Haarpracht zurück, griff nach ihrer Handtasche und stand auf. Im
Vorbeigehen zwinkerte sie Lyn zu. »Was Single-Frauen halt so machen. Dafür
sorgen, dass der Zustand kein Dauerzustand bleibt.« Sie winkte Lukas und Lyn
zu. »Tschüs, bis morgen.«
Dass der nächste Morgen
definitiv nicht ihr Morgen werden würde, hatte Lyn
schon festgestellt, als sie auf ihren Wecker geblickt und ihr die digitale
Anzeige nur Striche entgegengeblinkt hatte.
Als sie jetzt, eine
komplette Stunde zu spät, im zehnten Stock des Polizeigebäudes aus dem
Fahrstuhl stieg und um die Ecke bog, stieß sie mit Thomas Martens zusammen.
»Holla!«, stieß er aus
und hielt sie bei den Schultern. »Da hat es aber jemand eilig.«
»Guten Morgen … und
sorry!« Lyn erwiderte sein Lächeln, während er die Hände wieder löste. »Die
Weckfunktion meines altertümlichen Radioweckers liegt brach bei nächtlichen
Stromausfällen. Und jetzt fehlt mir eine Stunde.«
»Nun, dann will ich dich
nicht aufhalten.«
»Wir sehen uns«, sagte
Lyn und ging weiter.
»Lyn?«
Sie drehte sich wieder
um. »Ja?«
»Hast du … Trinken wir
mal einen Kaffee zusammen?«
Lyn schluckte. »Äh … ja
… warum nicht? Irgendwann passt es bestimmt.« Sie hoffte, dass ihr Lächeln das
unverbindlichste aus ihrer Lächel-Palette war. »Und jetzt muss ich wirklich,
sonst lynchen mich die Kollegen.« Sie traute sich nicht, ihm noch einmal in die
braunen Augen zu blicken, sondern öffnete schnell die Tür zu den Räumen des K1.
»Ach, Lyn, wir dachten
schon, du bist krank«, empfing Wilfried Knebel sie, über seine Brille guckend,
auf dem Flur. Neben ihm stand Thilo Steenbuck.
»Sorry, mein Wecker …
Ich hätte natürlich kurz anrufen können.«
»Egal«, wischte ihr Chef
ihre Entschuldigung beiseite, »sieh dir lieber das hier an.« Er hielt ihr ein
Blatt Papier vor die Nase. Es war Seite eins der Liste mit den Namen der
Zugreservierungen.
»Ich habe gleich nach
der Frühbesprechung mit dem Telefonieren begonnen und hatte schon nach dem
vierten Anruf Glück«, sagte Thilo Steenbuck und tippte mit dem Zeigefinger
stakkatomäßig auf einem Namen der Liste herum. Seine Augen blitzten. »Du wirst
es nicht glauben, Lyn. Diese Frau …«, er blickte kurz auf die Liste, » …Korwatzky
hat mit Hinrich Jacobsen im Speisewagen zusammengesessen. Und dort sind sie ins
Gespräch gekommen.«
»Ja, und?« Lyn hing an
seinen Lippen.
»Na, ich hab ihr
erklärt, worum es geht, und da war sie erst mal geschockt. Als der Fall durch
die Presse ging, war sie wohl im Urlaub. Jedenfalls sagte sie, dass Hinrich
Jacobsen während des Gesprächs keine Anzeichen von Erregung gezeigt hat. Im
Gegenteil. Sie sagte dass er immer ruhiger wurde und sich nach circa fünfzehn
Minuten wieder in sein Abteil begeben hat.
»Wir müssen ganz genau
wissen, worüber sie sich unterhalten haben«, sagte Lyn aufgeregt.
»Genau«, stimmte der
Chef der Mordkommission ihr zu, »und darum werdet ihr beide morgen eine nette
kleine Dienstreise nach Köln machen. Denn dort wohnt die gute Frau.«
»Ich habe sie gebeten,
genau nachzudenken und jede Kleinigkeit aufzuschreiben, die ihr einfällt«,
sagte Thilo.
»Mein Gefühl sagt mir,
dass wir da an was dran sind«, sagte Wilfried, nahm seine Brille ab und steckte
sie in die Hemdtasche. »Wir haben den Bericht des LKA bezüglich der Geldscheine im Clip heute Morgen bekommen. Kevin Holzbachs
Fingerabdrücke waren nicht auf allen Fünfzigeuroscheinen. Und das stimmt uns
doch merkwürdig, oder? Welcher Junge hätte die Scheine nicht durchgezählt und
dabei auch die anderen Scheine berührt?«
Lyn schnalzte mit der
Zunge. »Also hat ihm wirklich jemand den Clip untergeschoben, als er tot war.«
Thilo nickte. »Derjenige
hat Gonzos Finger genommen und sie auf den Clip und die Scheine gedrückt.
Natürlich war er in Eile und ziemlich nervös. Er hat nicht alle Scheine erwischt.«
Lyn hob ihre Hand und
hielt sie Thilo hin. »Schlag ein, Kollege. Das Kind schaukeln wir nach Hause.
Und wenn in Köln wieder nichts Erleuchtendes herauskommt, halte ich in
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