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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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geben.
    »Hast du ihn schon mal gesehen?«, fragte ich OubaOuba, der leise neben mich getreten war.
    »Nie gesehen, den Typ.«
    Polizeisirenen waren von der Einfahrt in den Häuserblock zu hören. Endlich mal schnell! Die Jungs lösten sich in Windeseile in Luft auf. Es blieben nur die Frauen, Kinder und einige alterslose Senioren. Und ich.
    Sie kamen angesaust wie die Großstadtcowboys. Nach ihrem Bremsmanöver kurz vor der Menschenansammlung zu urteilen, hat - ten sie ausgiebig Starsky und Hutch im Fernsehen geguckt. Sie muss - ten ihren Auftritt sogar geprobt haben, denn er saß bis aufs i-Tüpfel - chen.
    Die vier Türen öffneten sich gleichzeitig und spuckten in der - selben Bewegung die Beamten aus. Bis auf Babar. Er war der älteste Polizist auf dem Bezirksrevier und hatte schon lange keinen Spaß mehr daran, Polizeiserien nachzuspielen. Er hoffte, seine Rente so zu bekommen, wie er seine Karriere begonnen hatte: ohne viel Auf - hebens. Und lebend, nach Möglichkeit.
    Pertin, von allen Vorstadtjungen Deux-Têtes, Doppelkopf, genannt wegen der Ray-Ban-Sonnenbrille, die er ständig trug, warf einen Blick auf Serges Leiche, dann sah er mich lange scharf an.
    »Was hast du hier zu suchen?«
    Pertin und ich waren nicht gerade Freunde. Obgleich er Kommissar war, war ich es, der sieben Jahre lang für die nördlichen Viertel verantwortlich gewesen war. Sein Bezirkskommissariat war nur eine Antenne für die Sicherheitsbrigaden unter meiner Leitung gewesen. Zu unserer Verfügung.
    Pertin und ich hatten uns von Anfang an bekämpft. »In den Arabervierteln«, pflegte er zu wiederholen, »funktioniert nur eins: Härte.« Das war sein Credo. Er hatte es jahrelang buchstabengetreu angewandt. »Ab und zu schnappst du dir einen Beur und verpasst ihm in einem verlassenen Steinbruch eine ordentliche Abreibung. Irgendwas haben sie immer auf dem Kerbholz, wovon du nichts weißt. Du prügelst sie ein bisschen durch und kannst sicher sein, dass dieses Ungeziefer schon weiß, warum. Das ist besser als all die Ausweiskontrollen. Es erspart dir den Papierkrieg auf dem Kom - missariat. Und es beruhigt deine Nerven, auf denen diese Araber - schweine herumgetrampelt haben.«
    Das hieß für ihn, »gewissenhaft seine Arbeit machen«, hatte er vor Journalisten erklärt. Den Abend davor hatte seine Mannschaft bei einer einfachen Ausweiskontrolle »versehentlich« einen siebzehn - jährigen Beur niedergemetzelt. Das war 1988. Diese grobe Fahr - lässigkeit seitens der Polizei hatte Marseille in Aufruhr versetzt. In jenem Jahr katapultierte man mich an die Spitze der Sicher - heitsbrigaden. Der Superbulle, der Friede und Ordnung in den nördlichen Vierteln wieder herstellen sollte. Wir standen tatsächlich kurz vor einer Rebellion.
    Mein ganzes Vorgehen zeigte ihm jeden Tag aufs Neue, dass er falsch lag. Selbst, wenn auch ich mich irrte, weil ich zu viel abdämpfen und schlichten wollte. Zu sehr versuchte, das Unbegreif - liche zu verstehen. Elend und Verzweiflung. Sicherlich war i ch nicht Bulle genug. So erklärten es meine Vorgesetzten. Später. Ich glaube, sie hatten Recht. Aus dem Blickwinkel der Polizei, meine ich.
    Nach meiner Kündigung hatte Pertin seine Macht über die Vor - städte wiedergewonnen. Sein »Gesetz« regierte. Die Abreibungen in verlassenen Steinbrüchen waren wieder an der Tagesordnung. Ebenso Verfolgungsjagden mit dem Auto. Hass. Der Hass wuchs. Die schlimmsten Fantasien wurden Wirklichkeit. Jeder x-beliebige Staatsbürger mit einem Gewehr in der Hand konnte auf alles schießen, was ihm in die Quere kam und nicht eindeutig weiß war. So starb Ibrahim Ali, ein siebzehnjähriger Zuwanderer von den Komoren an einem Februarabend 1995, als er mit seinen Freunden hinter dem Nachtbus herlief.
    »Ich hab dich was gefragt. Was hast du hier zu suchen?«
    »Tourismus. Die Viertel haben mir gefehlt. Die Leute und alles.«
    Von den Vieren lachte nur Babar. Pertin beugte sich über Serges Leiche. »Scheiße! Das ist dein Kumpel, der Schwule! Er ist tot.«
    »Das habe ich gesehen.«
    Er sah mich an. Bösartig. »Was hatte er hier zu suchen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Und du?«
    »Das hab ich doch schon gesagt, Pertin. Ich kam zufällig vorbei. Ich hatte Lust, den Jungs beim Spielen zuzusehen. Da bin ich stehen geblieben.«
    Das Basketballfeld war leer.
    »Was für Jungs? Hier spielt niemand.«
    »Mit den Schüssen war das Spiel zu Ende. Du weißt, wie sie sind. Nicht, dass sie was gegen euch haben. Aber sie ziehen es vor, euch aus

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