Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
lassen ihm eine Nachricht da. Es wäre besser, er würde das Gleiche tun.«
»Kann ich nicht lieber zu Anselme gehen?«
»Wie du willst. Aber ruf Marinette an. Damit deine Mutter weiß, wo du bist.«
»Wirst du meine Schwester finden?«
»Das hoffe ich.«
»Aber du bist nicht sicher, hm?«
Wobei konnte ich mir schon sicher sein? Bei gar nichts. Ich hatte mich auf die Suche nach Guitou gemacht, wie man auf den Markt geht. Die Hände in den Taschen. Ohne Eile. Ein Blick hier, ein Blick dort. Nur Gélous Angst hatte mich angetrieben. Ich war nicht scharf darauf, der Liebesgeschichte zweier Kinder ein Ende zu machen. Und jetzt war Guitou tot. Aus nächster Nähe von Killern erschossen. Unterwegs hatten andere Killer einen alten Kum pel umgelegt. Und zwei Mädchen waren auf der Flucht. Beide in höchster Gefahr.
Daran gab es keinen Zweifel. Und der andere Junge auch Mathias. Ich musste ihn finden. Auch ihn an einen sicheren Ort bringen.
»Ich komme mit hoch«, sagte ich zu Mourad, als wir in La Bigotte angekommen waren. »Ich muss noch ein paar Anrufe machen.«
»Ich hab schon angefangen, mir Sorgen zu machen«, sagte Honorine. »Weil Sie den ganzen Tag nicht angerufen haben.«
»Ich weiß, Honorine. Ich weiß. Aber ...«
»Sie können ruhig offen mit mir reden. Ich habe die Zeitung gelesen. Nun denn!«
»Ah!«
»Wie kann so etwas Schreckliches nur passieren?«
»Wo haben Sie die Zeitung gelesen?«, fragte ich, um nicht auf ihre Frage antworten zu müssen.
»Bei Fonfon. Ich bin hingegangen, um ihn einzuladen. Für Sonn - tag. Zur Poutargue. Sie erinnern sich doch noch? Er hat gemeint, ich soll nichts sagen, wegen Guitou. Sie würden schon wissen, was zu tun ist. Wie soll es denn jetzt eigentlich weitergehen, hm?«
Um ehrlich zu sein, ich hatte keine Ahnung. »Ich war bei der Polizei, Honorine«, sagte ich, um sie zu beruhigen. »Und Gélou, hat sie die Zeitung auch gelesen?«
»Natürlich nicht! Ich hab heute Mittag nicht einmal die Lokalnachrichten eingeschaltet.«
»Macht sie sich sehr große Sorgen?«
»Sozusagen ... «
»Geben Sie sie mir, Honorine. Und warten Sie nicht auf mich. Ich weiß nicht, wann ich zurück sein werde.«
»Ich habe schon gegessen. Aber Gélou ist nicht mehr da.«
»Nicht mehr da! Ist sie zurückgefahren?«
»Nein, nein. Ich meine, sie ist nicht mehr bei Ihnen. Aber sie ist n och in Marseille. Ihr ... Freund hat sie heute Nachmittag angerufen.«
»Alexandre.«
»Genau. Alex nennt sie ihn. Er war gerade nach Gap zurückgekehrt. Zu ihnen nach Hause. Er hat die Nachricht auf dem Bett des Kleinen gelesen. Da hat er nicht lange gezögert, sich ins Auto gesetzt und ist nach Marseille gekommen. Sie haben sich in der Stadt getroffen. Gegen fünf muss das gewesen sein. Sie sind im Hotel. Warten Sie, ich soll Ihnen sagen, wo Sie sie finden können. Hotel Alizé. Das ist am Alten Hafen, oder?«
»Ja. Oberhalb vom New York.«
Gélou brauchte nur irgendeine Zeitung aufzuschlagen, dann würde sie von Guitous Tod erfahren. Wie ich es getan hatte. Es konnte nicht unzählige Fabres geben, deren Sohn Mathias hieß. Und noch weniger Fabres, in deren Haus ein sechzehneinhalbjähriger Junge ermordet worden war.
Alexandres Anwesenheit änderte einiges. Ich konnte über den guten Mann denken, was ich wollte, aber er war es, den Gélou liebte. Den sie nicht verlieren wollte. Sie waren seit zehn Jahren zusammen. Er hatte Patrice und Marc mit aufgezogen. Und Guitou, trotz allem. Sie hatten ihr eigenes Leben, und nur weil sie Rassisten waren, hatte ich nicht das Recht, das alles zu leugnen. Gélou stützte sich auf diesen Mann, und ich musste es auch tun.
Sie mussten über Guitou Bescheid wissen. Das heißt, vielleicht.
»Ich rufe sie an, Honorine. Ich umarme Sie.«
»Fabio?«
»Ja?«
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«
»Natürlich. Warum?«
»Weil ich Sie kenne, Mensch. Ich höre es Ihnen doch an, dass Sie ganz durcheinander sind.«
»Ich bin ein bisschen nervös, das stimmt schon. Aber machen Sie sich keine Sorgen.«
»Ich mache mir aber Sorgen. Besonders, wenn Sie mir so kommen.«
»Ich umarme Sie.«
Die gute Frau war eine Heilige. Ich vergötterte sie. Wenn ich eines Tages sterbe, wird sie es sein, die mir in der Tiefe meiner Gruft am meisten fehlt. Wahrscheinlich würde es andersrum sein, aber daran mochte ich gar nicht denken.
Loubet war noch im Büro. Die Fabres hatten zugegeben, in der Sache mit Guitou gelogen zu haben. Jetzt blieb uns nichts anderes übrig, als ihnen zu
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