Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
glauben. Sie wussten nichts von dem jungen Mann in ihrem Haus. Es war ihr Sohn Mathias, der ihn eingeladen und ihm seinen Schlüssel geliehen hatte. Freitag, bevor sie nach Sanary gefahren waren. Sie hatten sich diesen Sommer kennen gelernt. Sie hatten sich angefreundet und ihre Telefonnummern ausgetauscht ...
»So weit, so gut. Als sie zurückkamen, war Mathias nicht bei ihnen. Sondern in Aix. Und sie wollten ihn mit der Tragödie nicht schockieren ... Lauter Geschwätz. Aber wir kommen voran.«
»Du glaubst nicht, dass sie diesmal die Wahrheit sagen?«
»Dieses plötzlicheb › Jetzt sagen wir die Wahrheit ‹ macht mich immer skeptisch. Wenn einer einmal lügt, steckt etwas dahinter. Entweder sie haben mir nicht alles gesagt, oder Mathias verbirgt noch etwas.«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil dein Guitou nicht allein in dem Appartement war.«
»Ach so«, versetzte ich unschuldig.
»Wir haben ein Kondom in den Laken gefunden. Und es stammt nicht aus der Urzeit. Der Junge war mit einem Mädchen zusammen. Wenn er von zu Hause abgehauen ist, dann vielleicht ihretwegen. Mathias müsste das wissen. Ich denke, er wird es mir erzählen, wenn ich ihn morgen sehe. Unter vier Augen mit einem Polizisten blufft ein Junge nicht lange. Und dann wüsste ich gern, wer das Mädchen ist. Sie müsste doch etwas zu erzählen haben, oder? Meinst du nicht?«
»Schon, schon ...«
»Stell dir vor, Montale. Die beiden liegen im Bett. Oder siehst du das Mädchen morgens nach Hause gehen? Um zwei oder drei Uhr früh? Allein? Ich nicht.«
»Vielleicht hatte sie ein Mofa.«
»Oh! Tu nicht so, verdammt, es reicht!«
»Nein, du hast Recht.«
»Kann schon sein«, sprach er weiter.
Ich ließ ihn nicht ausreden. Und jetzt spielte ich wirklich den Clown, das merkte ich selber.
»Vielleicht war sie noch dort, wie festgenagelt. Meinst du das?«
»Genau. Etwas in der Richtung.«
»Ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, findest du nicht? Die Typen legen Draoui um. Dann einen Jungen. Sie werden sich verge - wissert haben, dass niemand mehr da war.«
»Du kannst noch so ausgekocht sein, Montale, manchmal geht alles schief. Dies war so ein Abend, denke ich. Sie hatten sich Hocine Draoui vorgenommen, ganz lässig. Plötzlich kommt etwas da - zwischen. Guitou. Frag mich nicht, was er halb nackt im Flur zu suchen hatte. Der Lärm, zweifellos. Er hatte Angst. Und schon geriet alles ins Schleudern.«
»Hm«, machte ich, als dächte ich nach. »Willst du, dass ich meiner Cousine ein paar Fragen über Guitou stelle? Und eine eventuelle Freundin in Marseille. Eine Mutter müsste so etwas wissen.«
»Siehst du, Montale, es wundert mich, dass du das nicht schon längst gemacht hast. Ich an deiner Stelle hätte dort angefangen. Wenn ein Junge abhaut, steckt häufig ein Mädchen dahinter. Oder ein guter Freund. Weißt du das nicht mehr? Oder hast du vergessen, dass du einmal Polizist warst?« Ich antwortete mit Schweigen. Er sprach weiter: »Ich sehe immer noch nicht, auf wel cher Spur du Guitou bis dahin gefolgt bist.«
Montale in der Rolle des Dorftrottels.
Das ist das Problem mit dem Lügen. Entweder man nimmt all seinen Mut zusammen und sagt die Wahrheit. Oder man bleibt hartnäckig bei der Lüge, bis man eine Lösung gefunden hat. Meine Lösung war, Naïma und Mathias an einen sicheren Ort zu bringen. In ein Versteck. Ich hatte schon eine Vorstellung, wohin. Bis wir in dieser Sache klar sahen. Ich vertraute Loubet, aber nicht der ganzen Polizei. Die Polizei und die Unterwelt hatten schon zu viel mitein - ander gemauschelt. Die Funkverbindung zwischen ihnen funktio - niert nach wie vor, da kann man sagen, was man will.
»Willst du mit Gélou sprechen?«, fragte ich, um mir aus der Patsche zu helfen.
»Nein, nein. Mach du das. Aber behalte die Antworten nicht für dich. Damit kann ich viel Zeit gewinnen.«
»Okay«, stimmte ich ernsthaft zu.
Dann fiel mir Guitous Gesicht wieder ein. Seine Engelhaftigkeit. Sie durchzuckte mich wie ein roter Blitz. Sein Blut. Sein Tod zog mich mit in den Schmutz. Wie konnte ich noch die Augen schließen, ohne seine Leiche zu sehen? Seine Leiche im Leichenschauhaus. Es war nicht die Frage, ob ich Loubet die Wahrheit sagen sollte oder nicht, die mir keine Ruhe ließ. Es waren die Killer. Diese beiden Mistkerle. Ich wollte sie in die Finger kriegen. Den vor mir haben, der Guitou ermordet hatte. Ja, von Angesicht zu Angesicht. Ich hatte genug Hass in mir, um ihn umzubringen.
Ich hatte nichts anderes mehr im
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