Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
er, mittlerweile zitternd vor Angst. »Gib mir nen Schluck, bitte.«
Verdammt, fluchte ich, er wird sich noch mehr einsauen. Ich füllte sein Glas mit dem scheußlichen Fusel und reichte es ihm. Es wurde höchste Zeit für mich, von hier zu verschwinden.
Ich betrachtete Saadna. Ich war mir nicht einmal mehr sicher, ob man ihn der menschlichen Rasse zuordnen konnte. So wie er dort neben dem Sessel zusammengesackt war, glich er einem eitrigen Furunkel.
Saadna begriff meinen Blick. »He, Montale, du ... Du wirst mich doch nicht umlegen, oder?«
Im selben Moment krachte es. Eine zerbrochene Flasche. Rechts fing ein Schrotthaufen Flammen. Noch eine Flasche explodierte. Molotowcocktails, die Schweine! Ich ging runter und erreichte mit dem Gewehr in der Hand das Fenster.
Ich sah Redouane ans untere Ende der Müllhalde laufen. Nacer konnte nicht weit sein. Und der andere, Hamel, war er au ch da? Ich hatte wirklich keine große Lust, in diesem Rattenloch zu krepieren.
Saadna auch nicht. Er robbte stöhnend in meine Richtung. Dicke Schweißperlen rannen an ihm herunter. Er stank nach Verwesung. Scheiße und Verwesung. Nach allem, was sein Leben gewesen war.
»Hilf mir, Montale, ich hab reichlich Knete.« Und er fing an zu flennen, der Mistkerl.
Der Schrottplatz war ein Flammenmeer. Dann sah ich Nacer kommen. Mit einem Satz war ich an der Eingangstür. Ich lud das Gewehr. Aber Nacer hielt sich nicht damit auf, hineinzukommen. Schwungvoll warf er eine ihrer verfluchten Flaschen durchs offene Fenster. Sie zerbrach mitten im Raum. Dort, wo Saadna noch vor wenigen Minuten gesessen hatte.
»Montale!«, schrie er. »Lass mich nicht im Stich!«
Das Feuer griff auf seine Bude über. Ich rannte zum Tisch, um Serges Heft mitzunehmen. Ich steckte es in mein Hemd, ging zurück zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Aber ich rechnete nicht damit, dass auf mich geschossen würde. Redouane und Nacer mussten schon längst über alle Berge sein.
Die Hitze schnürte mir die Kehle zu. Die Luft war ein einziger stinkender Ofen. Es gab eine Explosion. Benzin, zweifellos. Gleich würde alles in die Luft fliegen.
Saadna war bis zur Tür gekrochen. Wie ein Wurm. Er erwischte mich am Knöchel und klammerte sich unerwartet kräftig mit beiden Händen daran fest. Die Augen drohten ihm aus dem Kopf zu springen.
Er verlor den Verstand. Vor Angst.
»Hol mich hier raus!«
»Du wirst krepieren!« Ich zog ihn heftig an den Haaren und zwang ihn, aufzusehen. »Schau! Siehst du, das ist die Hölle. Die echte. Die Hölle für Aasgeier wie dich! Jetzt holt dein Hundeleben dich ein. Denk an Pavie.«
Und ich verpasste ihm ein en harten Schlag mit dem Kolben auf das Handgelenk. Er schrie auf und ließ meine Wade los. Ich stürmte hinaus und rannte ums Haus. Das Feuer griff um sich. Ich warf das Gewehr so weit wie möglich in die Flammen und rannte fort, ohne anzuhalten.
Als ich am Kanal ankam, ging Saadnas Bruchbude in Flammen auf. Mir war, als hörte ich ihn schreien. Aber er brüllte nur in meinem Kopf. Wie die Ohren im Flugzeug nach der Landung noch weitersummen. Saadna verbrannte, und sein Tod zerknallte mir das Trommelfell. Aber ich bereute nichts.
Es gab noch eine Explosion. Eine brennende Pinie fiel auf Arnos Baracke.
So, dachte ich, es ist vorbei. All das wird bald nicht mehr existieren. Dem Erdboden gleichgemacht. In ein oder zwei Jahren würden auf dem Schrottplatz Landhäuser stehen. Zur allgemeinen Zufriedenheit. Junge, selbstzufriedene mittlere Angestellte würden sich hier niederlassen. Sie würden sich beeilen, ihrer Frau ein Kind zu machen. Und sie würden noch viele glückliche Jahre im neuen Jahrtausend leben. Auf der kalten Asche von Arnos und Pavies Unglück.
Als die ersten Sirenen der Feuerwehr zu hören waren, fuhr ich los.
Siebzehntes Kapitel
In dem weniger
manchmal mehr ist
Es war klar, dass Loubet tobte. Rasend vor Wut. Seit Stunden wartete er auf mich. Außerdem hatte Cue ihm mitgeteilt, dass er Mathias nicht treffen könne. Sie wisse nicht mehr, wo er steckte.
»Die verarscht mich doch, oder was!« Da ich nicht sicher war, ob das eine Frage oder eine Feststellung war, schwieg ich. Er wütete weiter. »Jetzt wo du mit der Dame intim bist, wirst du ihr raten, ihren Bengel zu finden! Und zwar fix!«
Von meinem Platz aus konnte ich eine dicke, schwarze Rauchsäule von Saadnas Müllhalde aufsteigen sehen. Feuerwehrautos kamen aus allen Richtungen. Ich war nur eben weit genug gefahren, um ihnen nicht in die Quere zu
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