Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
im Gegenteil. Ihre Stimme war rau. Sanft. Den Ton hatte sie manchmal bei der Liebe. Aber das war nicht Loles Stimme, die ich da hörte, nur die Gitarre, die ihr Volumen gab. Sie trug. Das war mir unerträglich. Ich hatte die Platte weggelegt, aber meine verrückten Illusionen be - halten.
»Habt ihr miteinander gesprochen?«, fragte ich Honorine.
»Aber ja. Wir haben zusammen Kaffee getrunken.«
Sie sah mich mit einem breiten Grinsen an.
»Sie war nicht gerade in Form, um arbeiten zu gehen, die Arme.«
Ich ging nicht darauf ein. Ich hatte überhaupt kein Bild von Sonias Körper. Ihrem nackten Körper. Ich wusste nur, dass ihr leichtes Kleid, das sie gestern getragen hatte, den Händen eines ehrenwerten Mannes ungeahntes Glück versprach. Aber, sagte ich mir, vielleicht war ich nicht ganz so ehrenwert.
»Fonfon hat Alex angerufen. Sie wissen schon, den Taxifahrer, der manchmal Karten mit Ihnen spielt. Na ja, damit er sie zurückbringt. Ich glaube, sie war etwas spät dran.«
Das Leben ging immer weiter.
»Und worüber habt ihr gesprochen?«
»Von ihr, ein bisschen. Von Ihnen, eine Menge. Nun, wir haben schließlich nicht den ganzen Tratsch aufgerollt. Nur ein wenig palavert.«
Sie faltete ihre Serviette und starrte mich an. Wie eben auf der Terrasse. Aber ohne die geringste Andeutung von Boshaftigkeit.
»Sie hat mir erzählt, dass Sie unglücklich sind.«
»Unglücklich!«
Ich zwang mich zu lachen, während ich eine Zigarette anzündete, um einen Rest an Haltung zu bewahren. Was hatte ich Sonia bloß alles erzählt? Ich fühlte mich wie ein unartiger Junge, der bei einer Missetat erwischt wurde.
»Sie kennt mich kaum.«
»Deshalb habe ich gesagt, sie ist nett. Sie hat Ihnen das gleich angemerkt. In kurzer Zeit, wenn ich recht verstanden habe?«
»Richtig. Sie haben recht verstanden«, antwortete ich und stand auf. »Ich trinke den Kaffee bei Fonfon.«
»Kann man denn nicht mal mehr was sagen!«
Sie war verärgert.
»Schon gut, Honorine. Es ist nur Schlafmangel.«
»Das stimmt schon. Ich habe nur gesagt, dass ich für meinen Teil sie gern wieder sehen würde.«
Das boshafte Funkeln war wieder in ihren Blick zurückgekehrt.
»Ich auch, Honorine. Ich würde sie auch gern wieder sehen.«
Drittes Kapitel
In dem ein paar Illusionen im Leben
nichts schaden
Fonfon hatte die Schultern gezuckt. Beim Kaffee hatte ich ihm angekündigt, dass ich in seiner Kneipe an dem Nachmittag nicht aushelfen konnte. Die unsaubere Geschichte, in die Babette offenbar hineingeraten war, wollte mir nicht aus dem Kopf. Ich musste sie finden. Was in ihrem Fall nicht einfach war. Gut möglich, dass sie mit der Jacht eines arabischen Emirs auf Kreuzfahrt war. Aber das war nur eine Vermutung. Die angenehmste. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr kam ich ehrlich gesagt zu der Überzeugung, dass sie auf der Flucht war. Oder sich irgendwo versteckte.
Ich hatte beschlossen, ihrem Appartement oben am Cours Julien, das sie immer behalten hatte, einen Besuch abzustatten. Sie hatte es in den Siebzigern für einen Appel und ein Ei gekauft, und jetzt war es ein Vermögen wert. Cours Julien ist das Szeneviertel von Mar - seille. Auf beiden Seiten des Cours sind bis hoch zur Metrostation Notre-Dame-du-Mont nichts als Restaurants, Bars, Musik-Cafés, Antiquariate und die Marseiller Haute Couture. Ab sieben Uhr abends spielte sich dort das ganze Marseiller Nachtleben ab.
»Es war mir klar, dass die Sache nicht von Dauer sein würde«, hatte Fonfon gegrummelt.
»Oh! Fonfon! Nur einmal!«
»Ja, ja ... Viele Kunden werden sowieso nicht kommen. Hocken alle mit 'm Hintern im Wasser. Willst du noch 'nen Kaffee?«
»Wie du meinst.«
»Nun sei doch nicht gleich eingeschnappt! Oh! Ich will dich damit doch nur 'n bisschen aufziehen. Ich weiß ja nicht, was die Mädels heutzutage machen, aber verflixt, wenn ihr morgens aufsteht, seht ihr aus wie unter die Walze gekommen.«
»Das liegt nicht an den Frauen, sondern am Pastis. Letzte Nacht habe ich nicht gezählt.«
»Ich hab gesagt › die Mädels ‹ , aber ich meinte die, die ich heute Morgen ins Taxi gesetzt habe.«
»Sonia.«
»Sonia, genau. Sie macht einen sympathischen Eindruck.«
»Hör auf, Fonfon! Du wirst doch nicht auch noch damit anfangen. Das hat Honorine schon gesagt, also musst du nicht auch darauf herumreiten.«
»Ich reite nicht darauf herum. Ich sage, wie es ist. Und bei dieser Hitze solltest du es machen wie ich: Leg dich zur Siesta schön ein wenig aufs Ohr, statt
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