Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
wer weiß wo durch die Gegend zu strolchen. Denn heute Abend ...«
»Machst du zu?«
»Meinst du, ich stell mich den lieben langen Nachmittag da hin und warte darauf, dass einer reinkommt und eine Pfefferminzlimo trinkt! Den Teufel werd ich. Und morgen genauso. Und übermorgen auch. Solange es so heiß ist, lohnt es sich nicht, sich das Leben schwer zu machen. Du bist beurlaubt, mein Bester. Geh schlafen, geh schon.«
Ich hatte nicht auf Fonfon gehört. Das war ein Fehler. Schläfrigkeit überkam mich. Ich fischte nach einer Kassette von Mongo Santa - maria und legte sie ein. Mambo terrifico. Das ging durch und durch. Und ich gab leicht Gas, um so etwas wie frische Luft hereinzulassen. Trotz sperrangelweit geöffneter Fenster zerfloss ich. Von der Pointe-Rouge bis zum Rond-Point mit der Davidstatue wimmelten die Strände von Menschen. Ganz Marseille hatte sich dort versammelt, mit dem Hintern im Wasser, wie Fonfon sagte. Er tat gut daran, die Kneipe zu schließen. Sogar die vollklimatisierten Kinos gaben vor fünf keine Vorstellung.
Knapp eine halbe Stunde später hielt ich vor Babettes Wohnhaus. Sommertage in Marseille haben ihr Gutes. Kein Verkehr in der Stadt, keine Parkplatzprobleme. Ich klingelte bei Madame Orsini. Sie kümmerte sich während Babettes Abwesenheiten um ihr Appartement, sah nach dem Rechten und schickte ihr die Post nach. Ich hatte vorher angerufen, um sicherzugehen, dass sie da war.
»Bei der Hitze gehe ich bestimmt nicht raus. Sie verstehen, was ich meine. Kommen Sie, wann Sie wollen.«
Sie machte mir auf. Es war unmöglich, Madame Orsinis Alter zu schätzen. Vielleicht zwischen fünfzig und sechzig. Je nach Tageszeit. Blond gebleicht bis an die Haarwurzeln, nicht sehr groß und eher rundlich, trug sie ein leichtes, großzügig geschnittenes Kleid, durch das ihre Silhouette im Gegenlicht gut zu erkennen war. Kein Zweifel: So, wie sie mich ansah, hätte sie nichts gegen eine gemein - same Siesta mit mir einzuwenden gehabt. Ich verstand, warum Babette sie mocht e. Auch sie war eine Männerfres serin.
»Kann ich Ihnen eine Kleinigkeit anbieten?«
»Danke. Ich brauche nur die Wohnungsschlüssel.«
»Schade.«
Sie lächelte. Ich auch. Und sie reichte mir die Schlüssel.
»Babette hat schon lange nichts mehr von sich hören lassen.«
»Es geht ihr gut«, log ich. »Sie hat viel Arbeit.«
»Ist sie immer noch in Rom?«
»Und mit ihrem Anwalt.«
Madame Orsini sah mich seltsam an.
»Ah ... Ah ja.«
Sechs Etagen weiter oben schöpfte ich vor Babettes Tür Luft. Das Appartement sah aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Großartig. Ein gewaltiges Glasfenster ging auf den Alten Hafen. In der Ferne waren die Frioul-Inseln zu erkennen. Das war das Erste, was man beim Hereinkommen sah, und so viel Schönheit nahm einem den Atem. Ich genoss es in vollen Zügen. Für den Bruchteil einer Sekun - de. Denn der Rest war nicht schön anzusehen. Die Wohnung war auf den Kopf gestellt worden. Jemand war vor mir da gewesen.
Plötzlich brach mir der Schweiß aus. Eine Hitzewelle. Mit einem Mal war das Böse greifbar. Es schnürte mir die Kehle zu. Ich ging zum Wasserhahn in der Küche, ließ den Strahl laufen und trank einen kräftigen Schluck.
Ich machte eine Runde durch die Zimmer. Alle waren durchsucht worden, gründlich, schien mir, aber ohne Sorgfalt. Im Schlafzimmer setzte ich mich auf Babettes Bett und steckte mir nachdenklich eine Zigarette an.
Was ich suchte, gab es nicht. Babette war so unberechenbar, dass sogar ein Adressbuch, wenn sie eines hier liegen gelassen hätte, nur dazu geführt hätte, sich in einem Labyrinth von Namen, Straßen, Städten und Ländern zu verirren. Mein Anrufer musste hier gewesen sein, bevor er mit mir telefoniert hatte. Es konnte nur er gewesen sein. Sie. Die Mafia. Ihre Killer. Sie suchten sie und hatten, wie ich, vorn angefangen. Bei ihrer Wohnung. Zweifellos hatten sie etwas gefunden, das in meine Richtung wies. Dann fielen mir Madame Orsinis Erkundigungen nach Babette wieder ein. Die Art, wie sie mich zum Schluss angesehen hatte. Sie waren bei ihr vorbeigekommen, so viel war sicher.
Ich drückte meine Zigarette in einem scheußlichen Ricordo-di— Roma -Aschenbecher aus. Madame Orsini schuldete mir ein paar Erklärungen. Ich ging noch einmal durch die Wohnung, als ob ich mir eine Erleuchtung erhoffte.
In dem Zimmer, das als Büro diente, erregten zwei dicke, schwarze Aktenordner auf dem Boden meine Aufmerksamkeit. Ich schlug den ersten auf. All ihre
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