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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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bringen, sagte ich mir.
    »Jetzt nehme ich doch ein Bier«, rief ich Madame Orsini entgegen, als sie die Tür öffnete.
    »Ah, gut.«
    Diesmal lag kein geheimes Einverständnis zwischen uns. Ihr Blick wich mir aus.
    »Ich weiß nicht, ob ich noch welches kalt hab.«
    »Das macht nichts.«
    Wir standen uns gegenüber. Ich hielt die Wohnungsschlüssel in der Hand.
    »Haben Sie gefunden, was Sie suchten?«, fragte sie und zeigte mit dem Kinn auf die beiden dicken Aktenordner.
    »Vielleicht.«
    »Ah.«
    Das folgende Schweigen war zentnerschwer.
    »Hat sie Ärger?«, fragte Madame Orsini schließlich.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Die Polizei war da. Das mag ich nicht.«
    »Die Polizei?«
    Wieder Schweigen. Genauso drückend. Ich hatte den Geschmack des ersten Schlucks Bier auf der Zunge. Sie wich meinem Blick wieder aus. Mit einem Anflug von Furcht ganz tief drin.
    »Nun ... Ja, sie haben mir eine Karte gezeigt.«
    Sie log.
    »Und sie haben Ihnen Fragen gestellt. Wo Babette ist? Ob Sie sie in letzter Zeit gesehen haben? Ob Sie von Freunden in Marseille wissen? Die ganze Leier.«
    »Die ganze Leier, ja.«
    »Und Sie haben ihnen meinen Namen und meine Telefonnummer gegeben.«
    »Der Polizei, Sie verstehen.«
    Jetzt wollte sie, dass ich gehe. Die Tür hinter mir schließe. Auf ihrer Stirn perlten Schweißtropfen. Kalter Schweiß.
    »Die Polizei, hm?«
    »Was weiß ich, diese Geschichten gehen mir auf die Nerven. Ich bin nicht die Concierge. Ich mache das aus Freundschaft zu Babette. Sie bezahlt mich nicht dafür.«
    »Haben sie Ihnen gedroht?«
    Ihre Augen kehrten zu mir zurück. Meine Frage hatte sie erstaunt. Auch erschreckt, durch ihren Unterton. Sie hatten sie bedroht.
    »Ja.«
    »Damit Sie meinen Namen verraten?«
    »Sie wollten, dass ich die Wohnung beobachte ... Ob einer kommt, wer, warum. Auch, dass ich die Post nicht nachschicke. Sie rufen jeden Tag an, haben sie gesagt. Und dass ich besser antworte.«
    Das Telefon klingelte. Zwei Schritte neben uns. Es stand auf einem kleinen Tisch mit einem Spitzendeckchen darunter. Madame Orsini nahm ab. Ich konnte sehen, wie sie erblasste. Sie sah mich mit Panik in den Augen an.
    »Ja. Ja. Natürlich.«
    Sie legte eine zitternde Hand über die Sprechmuschel.
    »Es sind sie. Es ... Es ist für Sie.«
    Sie reichte mir das Telefon.
    »Ja.«
    »Du hast dich an die Arbeit gemacht, Montale. Gut so. Aber da verlierst du deine Zeit. Wir haben es eilig, verstehst du.«
    »Leck mich am Arsch.«
    »Du bist bald selbst am Arsch. Und schneller als du denkst. Arsch - loch!«
    Damit legte er auf.
    Madame Orsini starrte mich an. Sie war jetzt ganz Angst und Schrecken.
    »Tun Sie weiter, was die Ihnen sagen.«
    Ich hatte Sehnsucht nach Sonia. Nach ihrem Lächeln. Nach ihren Augen. Nach ihrem Körper, den ich noch nicht kannte. Eine wahn - sinnige Sehnsucht nach ihr. Danach, mich in ihr zu verlieren. In ihr die ganze Verdorbenheit der Welt zu vergessen, die unser Leben wie eine offene Geschwulst zerfraß.
    Denn ich hatte doch noch ein paar Illusionen.

Viertes Kapitel
    In dem Tr ä nen das einzige Mittel
gegen Hass sind

    Ich trank ein Bier, dann noch eins und noch eins. Ich saß im Schatten auf der Terrasse von La Samaritaine am Hafen. Hier wehte immer eine leichte Brise vom Meer. Es war nicht direkt frische Luft, aber genug, um nicht bei jedem Schluck vor Schweiß zu triefen. Hier fühlte ich mich wohl. Auf der schönsten Terrasse am Alten Hafen. Die einzige, auf der man das Licht der Stadt von morgens bis abends genießen kann. Wer dem Licht gegenüber unempfindlich ist, wird Marseille nie verstehen. Hier kann man es fühlen. Sogar in den glühendsten Stunden. Auch wenn man die Augen senken musste. So wie heute.
    Ich bestellte ein frisches Bier, dann versuchte ich noch einmal, Sonia zu erreichen. Es war jetzt fast acht, und ich hatte alle dreißig Minuten erfolglos bei ihr angerufen.
    Je mehr Zeit verging, desto heftiger wurde mein Verlangen nach ihr. Ich kannte Sonia noch nicht einmal, und schon fehlte sie mir. Was hatte sie Honorine und Fonfon nur erzählt, das die beiden so schnell für sie eingenommen hatte? Was hatte sie mir erzählt, das mich in so einen Zustand versetzt hatte? Wie konnte eine Frau so einfach das Herz eines Mannes erobern, nur durch Blicke und Lächeln? War es möglich, das Herz zu umgarnen, ohne die Haut auch nur zu berühren? Darin lag die wahre Kunst des Verführens. Sich in das Herz des anderen einzuschleichen, bis es vibrierte, und es so an sich zu binden.

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