Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
Badezimmertür war natürlich verschlossen, wenn sie aus der Dusche kam.
Ich hatte Lust, Hélène Pessayre danach zu fragen. Aber das schien mir dann doch etwas gewagt. Außerdem war ihr Blick viel zu ernst geworden.
Sie holte eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Tasche und bot mir eine an.
»Sie sehen, ich hab welche gekauft.«
Schweigen legte sich wieder zwischen die Rauchsäulen.
»Mein Vater«, begann sie leise, »is t vor acht Jahren umgebracht worden . Ich hatte gerade mein Jurastudium abgeschlossen. Ich wollte Rechtsanwältin werden.«
»Warum erzählen Sie mir das?«
»Sie haben mich neulich gefragt, ob ich im Leben nichts Besseres zu tun hätte. Wissen Sie noch? Als in d er Scheiße rumzuwüh len. Meine Augen beim Anblick von Leichen zu verderben ... «
»Ich war wütend. Wut ist mein Abwehrmechanismus. Dann werde ich vulgär.«
»Er war Untersuchungsrichter. Er hatte nicht wenige Korruptionsfälle zu bearbeiten. Gefälschte Rechnungen. Verborgene Finanzierung politischer Parteien. Ein Dossier hat ihn weiter geführt, als vorauszusehen war. Von den schwarzen Kassen einer ehemaligen politischen Mehrheitspartei kam er auf eine Bank in Panama. Xoilan Trades. Eine von General Noriegas Banken. Auf Drogendollars spezialisiert.«
Sie erzählte. Langsam. Mit ihrer ernsten, fast rauen Stimme. Eines Tages teilte die Pariser Finanzbehörde ihrem Vater mit, dass der Schweizer Bankier dieser Partei, Pierre-Jean Raymond, in Frankreich erwartet wurde. Er ließ sofort einen Vorführungsbefehl gegen ihn ausstellen. Raymonds Aktenkoffer war mit höchst kompromit - tierenden Dokumenten voll gestopft. Ein Minister und mehrere Abgeordnete waren darin verwickelt. Raymond fand sich in Untersuchungshaft wieder, wo er › in Gegenwart von Isla misten nicht schlafen konnte ‹ wie er sich bei politischen Freunden beklagte.
»Mein Vater leitete das Verfahren gegen ihn ein wegen Vergehen gegen die Gesetze zur Parteifinanzieru ng, Veruntreuung von Gesellschaf tsvermögen, Vertrauensmissbrauch, Fälschung und Verwendung von Fälschungen. All das eben. Wodurch er zum ersten Schweizer Bankier wurde, der in Frankreich wegen einer politischen Affäre belangt wurde.
Mein Vater hätte es dabei bewenden lassen können. Aber er setzte sich in den Kopf, die Bankverbindungen weiterzuverfolgen. Dabei geriet alles ins Schleudern. Raymond verwaltete ebenfalls Konten von Kunden aus Spanien und Libyen sowie die heute verkauften Immobilien von General Mobutu. Er war außerdem Inhaber eines Kasinos in der Schweiz für eine Unternehmensgruppe aus Bordeaux und Verwalter von rund fünfzig Gesellschaften in Panama, aus denen schweizerische, französische und italienische Unternehmen Profit schlugen ... «
»Wie aus dem Bilderbuch.«
»Ihre Freundin Babette ist bis zu einem Punkt vorgedrungen, den mein Vater nicht erreichen konnte. Ins Herz der Maschinerie. Bevor ich hergekommen bin, habe ich noch mal einige Abschnitte aus dem Artikel gelesen, den sie zu schreiben begonnen hat. Sie nimmt Südfrankreich als Beispiel. Aber die Beweisrührung gilt für die ganze Europäische Union. Vor allem, und das ist erschreckend, weist sie auf eine widersprüchliche Tatsache hin: Je weniger die Staaten, die das Maastrichter Abkommen unterzeichnet haben, gegen die Mafia vereint sind, desto mehr prosperiert diese auf dem Dünger –so drückt sie es aus –veralteter, unvereinbarer nationaler Gesetzgebung.«
»Ja«, sagte ich, »das habe ich auch gelesen.«
Fast hätte ich es vorhin Fonfon und Honorine erzählt. Aber sie hatten auch so schon genug gehört, sagte ich mir. Es fügte der aussichtslosen Lage, in der Babette steckte, nichts mehr hinzu. Und meiner damit auch nicht.
Babette stützte ihre Äußerungen auf Ansichten hoch gestellter europäischer Führungskräfte. »Dieses Versagen der Unterzeichner-Staaten von Maastricht, beteuerte die Präsidentin des Haushaltskontrollausschusses, Diemut Theato, ist umso schwerwiegender, als immer härtere Opfer von den europäischen Steuerzahlern verlangt werden, während die aufgedeckten Steuerhinterziehungen 1996 nur 1,4 Prozent des Budgets ausmachten.« Und die Verantwortliche für Betrugsbekämpfung, Anita Gardin, präzisierte: »Die kriminellen Organisationen gehen nach dem Prinzip des geringsten Risikos vor: Sie verlagern jede ihrer unterschiedlichen Aktivitäten in den Mitgliedsstaat, in dem das Risiko am geringsten ist.«
Ich schenkte Hélène Pessayre Wein nach.
»Er schmeckt hervorragend«, sagte
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