Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
ruhiger. »Ich weiß es nicht.«
Das Schweigen begann zu lasten.
»Wer ist der Sänger, den ich da gehört habe?«, fragte ich, um die Atmosphäre zu entspannen.
»Gianmaria Testa. Schön, nicht wahr«, antwortete sie gleichgültig. »Montale«, fügte sie beinahe fest hinzu, »ich komme zu Ihnen.«
»Das wird Klatsch geben«, sagte ich aus Spaß.
»Ist es Ihnen lieber, wenn ich Sie ins Polizeipräsidium zitiere?«
Ich brachte zwei Liter Rotwein aus den Ländereien von Villeneuve Flayosc in Roquefort-la-Bedoule mit. Wir hatten den Wein letzten Winter durch unseren bretonischen Freund Michel entdeckt. Château-les-mûres. Ein verdammt gutes Meisterwerk des Wohlge - schmacks.
»Na, er ist fast gestorben vor Durst«, sagte Honorine.
Nur um mich darauf hinzuweisen, dass ich ziemlich lange gebraucht hatte.
»Hast du dich im Keller verlaufen?«, schlug Fonfon in die gleiche Kerbe.
Ich füllte ihre Gläser, dann meins.
»Ich musste telefonieren.«
Und bevor sie eine Bemerkung machen konnten, fügte ich hinzu: »Bei mir werde ich abgehört. Die Flics . Ich musste Babette zurück - rufen.«
Babette war am Nachmittag abgefahren, hatte Bruno erklärt. Sie wollte in Nîmes bei Freunden übernachten. Spät am nächsten Vormittag würde sie den Zug nach Marseille nehmen.
»Warum fährst du nicht in Urlaub, Bruno? Eine Weile. Du und deine Familie.«
Ich dachte wieder an Mavros. Ihm hatte ich genau das Gleiche gesagt. Bruno antwortete mir ganz ähnlich. Alle hielten sich für stärker als das Böse. Als wenn das Böse eine ausländische Krankheit wäre. Obwohl es uns alle bis auf die Knochen zermürbte, vom Kopf bis ins Herz.
»Ich habe zu viele Tiere, um die ich mich kümmern muss ...«
»Bruno, verflucht, wenigstens deine Frau und die Kinder. Die Typen sind zu allem fähig.«
»Ich weiß. Aber hier kontrollieren wir alle Zugänge zu den Bergen. Und«, fügte er nach einer Pause hinzu, »wir sind bewaffnet.«
Mai 68 gegen die Mafia. Ich ließ den Film im Geiste ablaufen und erstarrte vor Entsetzen.
»Bruno«, sagte ich, »wir kennen uns nicht. Ich hege freundschaftliche Gefühle für dich. Für das, was du für Babette getan hast. Sie aufnehmen, Risiken eingehen ...«
»Hier haben wir nichts zu befürchten«, schnitt er mir das Wort ab.
»Wenn du wüsstest ...«
Er begann mir auf die Nerven zu gehen, er und seine alternativen Vorstellungen von Sicherheit.
»Verdammt, Bruno! Hier geht es um die Mafia!«
Ich musste ihm auch auf den Wecker gehen, denn er kürzte unser Gespräch ab.
»Okay, Montale. Ich werde darüber nachdenken. Danke für den Anruf.«
Fonfon trank langsam aus.
»Ich dachte, die Frau vertraut dir. Die Kommissarin.«
»Sie ist es nicht. Und sie weiß nicht, wer das angeordnet hat.«
»Teufel«, sagte er nur.
Ich erriet die Sorge, die in ihm aufkam. Er sah Honorine lange an. Gegen ihre Gewohnheit war sie heute Abend nicht gesprächig. Auch sie machte sich Sorgen. Aber meinetwegen, das wusste ich. Ich war der Letzte. Manu. Ugo. Der Letzte von den dreien. Der letzte Überlebende aus dieser ganzen Schweinerei, die die Kinder fraß, die sie aufwachsen sehen hatte, die sie geliebt hatte wie eine Mutter. Sie würde es nicht überleben, wenn ich auch dran glauben müsste. Das wusste ich.
»Aber was sind denn das für Geschichten mit Babette?«, fragte Honorine schließlich.
»Die Geschichte der Mafia. Wir wissen, wo sie anfängt«, sagte ich, aber wir wissen nicht, wo sie enden wird.«
»All diese Abrechnungen, von denen man im Fernsehen hört?«
»Ja, so ungefähr.«
Nach FargettesTod hatte es ein riesiges Blutbad gegeben. Brus cati war, wie Hélène Pessayre gesagt hatte, daran bestimmt nicht unbeteiligt. Die makabre Liste fiel mir wieder ein. Ganz klar. Da war Henri Diana, im Oktober 93 aus nächster Nähe getötet. Noël Dotori, Opfer einer Schießerei im Oktober 1994. Wie José Ordioni im Dezember 94. Dann, 1996, Michel Régnier und Jacky Champourlier, die beiden treuen Leutnants von Fargette. Die Liste endete vor kurzem mit Patrice Meillan und Jean-Charles Taran, einer der letzten »großen Nummern« der Varer Unterwelt.
»In Frankreich«, fuhr ich fort, »hat man die Aktivitäten der Mafia zu lange heruntergespielt. Stattdessen hat man sich nur an die Machenschaften der Übeltäter aus der Unterwelt gehalten. Man hat so getan, als würde man an einen Ganovenkrieg glauben. Heute ist die Mafia nicht mehr wegzuleugnen. Sie reißt die Geschäfte an sich. Wirtschaftlich und ... und auch
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