Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
Vom Netzwerk:
kleine Schlaumeier fand sich mit einem Schmiss auf der Wange wieder. Und natürlich hielt er künftig die Klappe, wenn es um Mourrabed ging. Er hätte Schlimmeres riskiert.
    Wir hatten uns die kleinen Ganoven schon öfter vorgenommen. Aber vergeblich, sie gingen lieber in den Knast, als den Namen Mourrabed auszuspucken. Als wir einen mit Stoff erwischten, machten wir ein Foto, legten eine Akte an und ließen ihn laufen.
    Sie hatten nie genug dabei, um eine Verhaftung zu rechtfertigen. Wir hatten es versucht, aber der Richter hatte uns abblitzen lassen.
    Pérol schlug vor, Mourrabed frühmorgens aus dem Bett zu holen. Ich war einverstanden.
    Bevor er ausnahmsweise einmal früh ging, fragte Pérol: »Wars schlimm, auf dem Friedhof?«
    Ich zuckte die Achseln, ohne zu antworten.
    »Würd mich freuen, wenn du mal zum Essen vorbeikämst.« Er ging, ohne eine Antwort abzuwarten oder sich zu verabschieden. Pérol war so herrlich unkompliziert. Ich übernahm die Nachtschicht mit Cerutti.
    Das Telefon klingelte. Es war Pascal Sanchez. Ich hatte eine Nach - richt bei seiner Frau hinterlassen.
    »He! Bin nie bei Rot über die Ampel gefahren. Schon gar nicht da, wo Sie sagen. Wo ich doch nie hinfahr in die Ecken. Ist nur Gesindel da.«
    Ich widersprach nicht. Ich wollte Sanchez milde stimmen. »Ich weiß, ich weiß. Aber es gibt einen Zeugen, M'sieur Sanchez. Er hat sich Ihre Nummer gemerkt. Sein Wort steht gegen Ihres.«
    »Wie viel Uhr war das, sagen Sie?«, fragte er nach einer Pause.
    »22.38 Uhr.«
    »Kann nicht sein«, antwortete er, ohne zu zögern. »Um die Zeit hab ich Pause gemacht. Hab an der Barde l'Hôtel de Ville ein Glas getrunken. Eh, hab sogar Kippen gekauft. Dafür hab ich Zeugen. Eh, ich lüg Sie nicht an. Ich hab mindestens vierzig.«
    »So viele brauche ich nicht. Kommen Sie morgen gegen elf im Bü - ro vorbei. Ich nehme Ihre Aussage auf. Und Name, Adresse und Tele - fonnummer von zwei Zeugen. Wir dürften uns leicht einigwerden.«
    Ich hatte noch eine Stunde totzuschlagen, bis Cerutti kam. Ich beschloss, ein Gläschen bei Ange im Treize-Coins zu trinken.
    »Der Kleine sucht dich«, sagte er. »Du weißt schon, den du Samstag mitgebracht hast.«
    Nach einem schnellen Halben machte ich mich auf die Suche nach Djamel. Seit meiner Anstellung in Marseille hatte ich mich nie so oft in diesem Viertel aufgehalten. Ich war erst neulich wieder herge - kommen, als ich Ugo treffen wollte. All die Jahre hatte ich mich in den Randgebieten bewegt. Die Place de Lenche, die Rue Baussenque und die Rue Sainte-Françoise, die Rue François-Moisson, der Boulevard des Dames, die Grand-Rue, die Rue Caisserie. Mein einziger Schlenker war die Passage des Treize-Coins und Anges Kneipe.
    Was mich jetzt überraschte, war, dass die Sanierung irgendwie unfertig schien. Ich fragte mich, ob die zahlreichen Bildergalerien, Boutiquen und anderen Läden Leute anzogen. Und wen? Keine Marseil le r da war ich sicher. Meine Eltern waren nach ihrer Vertreibung durch die Deutschen nie wieder in das Viertel zurückgekehrt. Die eisernen Rollläden waren heruntergezogen. Die Straßen verlassen. Die Restaurants fast leer. Außer bei Etienne in der Rue de Lorette. Aber Etienne Cassaro war schon seit dreiundzwanzig Jahren da. Und er hatte die beste Pizza in ganz Marseille. »Preise und Öffnungszeiten je nach Laune«, hatte ich in einer Geo-Reportage über Marseille gelesen. Dank Étiennes Laune hatten wir uns oft genug umsonst satt gegessen, Manu, Ugo und ich. Auch wenn er hinter uns herschimpfte: faules Pack, Taugenichtse, Ge - socks!
    Ich ging die Rue du Panier wieder hinunter. Meine Erinnerungen klangen lauter als die Schritte der Passanten. Das Viertel war noch nicht Montmartre. Der schlechte Ruf blieb. Der schlechte Geruch auch. Und Djamel war unauffindbar.

Siebtes Kapitel
    In dem man besser sagt,
was man empfindet

    Sie warteten vor meiner Haustür auf mich. Ich war mit den Gedanken woanders und erschöpft. Ich träumte von einem Glas Lagavulin. Sie waren geräuschlos wie Katzen aus dem Schatten gekommen. Als ich sie bemerkte, war es zu spät.
    Sie stülpten mir einen dicken Plastiksack über den Kopf, und zwei Arme glitten unter meine Achseln, fassten mich fest um die Brust und hoben mich hoch. Zwei Stahlarme. Der Typ hing an mir wie eine Klette. Ich wehrte mich.
    Der Schlag traf mich im Bauch. Mit voller Wucht. Ich öffnete den Mund und schluckte den letzten Sauerstoff im Sack. Scheiße! Womit schlug er, der Typ? Ein zweiter Schlag. Genauso

Weitere Kostenlose Bücher