Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
meine siebzig Kilo mit einer gewaltigen Anstrengung hoch. Das war schwerer als die Arbeiten des Herkules! Ich blieb zusammengekrümmt. Aus Angst vor den Schmerzen, die im Bauch lauerten.
»Stütz dich auf.«
Ich lehnte mich an die Wand. Sie drehte die Wasserhähne auf. »Lauwarm«, sagte ich.
Sie zog ihre Jeans und ihr T-Shirt aus und stellte mich unter die Dusche. Ich fühlte mich schwach. Das Wasser wirkte Wunder. Ich hatte meine Arme um Marie-Lous Hals geschlungen und lehnte mich an sie. Mit geschlossenen Augen. Die Wirkung ließ nicht auf sich warten.
»Na, tot bist du jedenfalls noch nicht, du Schmutzfink«, bemerkte sie, als mein Geschlecht sich versteifte.
Ich musste trotz allem lächeln. Dabei fühlte ich mich immer wackeliger auf den Beinen. Ich zitterte.
»Willst du es heißer?«
»Nein. Kalt. Weg mit dir.« Ich stützte mich an die Kacheln.
Marie-Lou stieg aus der Dusche. »Ganz wie du willst!« Sie drehte den Wasserhahn voll auf. Ich schrie. Sie stellte das Wasser ab, schnappte sich ein Handtuch und rieb mich trocken. Ich ging bis zum Waschbecken. Für einen Blick in den Spiegel. Ich machte das Licht an. Was ich sah, gefiel mir nicht. Meine Visage war intakt. Aber die hinter mir nicht. Marie-Lous Gesicht. Ihr linkes Auge war geschwollen und fast blau. Ich drehte mich langsam um, die Hände am Beckenrand.
»Was ist das?«
»Mein Zuhälter.«
Ich zog sie an mich. Sie hatte zwei blaue Flecken an der Schulter und einen roten Bluterguss am Hals. Sie drückte sich an mich und fing leise an zu weinen. Ihr warmer Bauch lehnte an meinem. Das tat mir unheimlich gut.
Ich streichelte ihr Haar. »Wir sind zwei Jammerlappen, du und ich. Erzähl.«
Ich machte mich los, öffnete die Hausapotheke und fischte eine Schachtel Dolipran heraus. Die Schmerzen brannten im ganzen Körper.
»Hol zwei Gläser aus der Küche. Und die Flasche Lagavulin, die da rumsteht.«
Ich ging wieder ins Schlafzimmer, ohne mich anzuziehen. Ich ließ mich aufs Bett fallen und stellte den Wecker auf sieben Uhr.
Marie-Lou kam zurück. Sie hatte einen wunderschönen Körper. Sie war keine Prostituierte mehr. Ich war kein Bulle mehr. Wir w aren zwei arme, vom Leben gebeutelte Gestalten. Ich schluckte zw ei Dolipran mit ein bisschen Whisky. Ich bot ihr auch eine an. Sie wollte nicht.
»Da gibts nichts zu erzählen. Er hat mich geschlagen, weil ich mit dir zusammen war.«
»Mit mir?«
»Du bist Bulle.«
»Woher weiß er das?«
»Im O'Stopweiß man alles.«
Ich sah auf die Uhr. Ich leerte mein Glas. »Bleib da. Bis ich wiederkomme. Rühr dich nicht vom Fleck. Und ...« Ich glaube, ich habe den Satz nicht zu Ende gesprochen.
Mourrabed schnappten wir uns wie vorgesehen. Wir holten ihn aus dem Bett, mit vom Schlaf verquollenen Augen und wirrem Schopf. Mit ihm war eine Göre unter achtzehn. Er trug eine geblümte Unterhose und ein T-Shirt mit der Aufschrift: »Noch mehr«. Wir hatten niemandem Bescheid gesagt. Nicht den Drogenfahndern, die uns geraten hätten, die Finger davon zu lassen. Zwischenhändler festzunehmen, behinderte ihre Fahndung nach den Großen. Das brachte sie durcheinander, sagten sie. Und auch nicht der Bezirks - wache, die umgehend die Nachricht in die Wohnsiedlungen weiter - geleitet hätte, um uns ein Bein zu stellen. Das kam immer öfter vor.
Wir führten Mourrabed wie einen ganz normalen Verbrecher ab. Wegen Gewaltanwendung und Körperverletzung. Und jetzt Verfüh - rung einer Minderjährigen. Aber er war kein normaler Verbrecher. Wir nahmen ihn so mit, wie er war, er durfte sich nicht einmal anziehen. Eine Erniedrigung aus reiner Böswilligkeit. Er tobte. Schimpfte uns Faschisten, Nazis, Arschlöcher, Bastarde, Huren - söhne. Wir hatten unseren Spaß daran. Die Türen im Flur öffneten sich, und jeder konnte ihn in Handschellen, Unterhose und T-Shirt bewundern.
Draußen gönnten wir uns sogar die Zeit für eine Zigarette, bevor wir ihn in den Wagen verfrachteten. Damit ihn auch ja alle vom Fenster aus bestaunen konnten. Die Neuigkeit würde in den Vor - städten ihre Kreise ziehen. Mourrabed in Unterhose, ein lustiges Bild, das hängen blieb. Das war etwas anderes als eine Festnahme nach einer Verfolgungsjagd durch die Vorstädte.
Wir stiegen ohne Vorwarnung auf dem Revier in L'Estaque aus. Dort waren sie nicht begeistert. Sie sahen sich schon von hunderten von jungen, bis an die Zähne bewaffneten Schlägern belagert. Sie wollten uns dorthin zurückschicken, wo wir herkamen. Auf unser Bezirksrevier.
»Die
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