Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
hab noch drei Monate abzureißen, dann kehre ich zurück.«
»Und dann?«
»Und dann, scheiße, ich hab noch keine Ahnung.«
»Du wirst sehen, es ist noch schlimmer geworden. Wenn ich nicht weggegangen wäre, hätte ich gemordet. Früher oder später. Um zu essen. Um zu leben. Das vorgefertigte Glück, nein danke. Das stinkt zu sehr. Am besten ist es, nicht zurückzukehren. Ich werde nicht zurückgehen.« Er zog nachdenklich an seiner Kippe und fügte hinzu: »Ich bin gegangen, ich werde nicht wiederkommen. Du hast das verstanden.«
»Ich habe gar nichts verstanden, Ugo. Überhaupt nichts. Ich habe mich geschämt. Meinetwegen. Unsertwegen. Wegen dem, was wir gemacht haben. Ich habe nur einen Dreh gefunden, um die Brücken abzubrechen. Dahin will ich nicht zurück.«
»Und was wirst du tun?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Erzähl mir nicht, dass du dich bei diesen Arschlöchern verpflichtest.«
»Nein. Ich hab genug gedient.«
»Na und?«
»Keine Ahnung, Ugo. Ich habe keinen Bock mehr auf feige Raub - überfälle.«
»Na gut, dann lass dich halt bei Renault anstellen! Du Trottel!«
Er war wütend aufgestanden. Er verschwand unter der Dusche. Ugo und Manu liebten sich wie Brüder. Es war mir nie gelungen, ihre Intimität zu teilen. Aber Manu war blind vor Hass gegen die ganze Welt. Er sah nichts mehr. Nicht einmal das Meer, auf dem unsere Jugendträume noch segelten. Das war zu viel für Ugo. Er hatte sich mir zugewandt. Mit den Jahren hatte sich ein grundlegendes Einverständnis zwischen uns entwickelt. Trotz unserer Meinungsverschiedenheiten hingen wir denselben Wahnvorstellungen nach.
Ugo hatte meine »Flucht« verstanden. Später. Bei einem anderen gewalttätigen Einbruch. Er hatte Marseille und Lole verlassen in der Gewissheit, dass ich ihm folgen würde. Um unsere Lektüre und unsere Träume wieder aufzunehmen. Das Rote Meer war für uns der eigentliche Ausgangspunkt für alle Abenteuer. Deshalb war Ugo bis hierher gekommen. Aber dorthin, wo er hinwollte, mochte ich ihm nicht folgen. Ich hatte weder Lust noch den Mut zu dieser Art von Abenteuer.
Ich war zurückgekehrt. Ugo war ohne ein Wort des Abschieds nach Aden aufgebrochen. Manu freute sich nicht, mich wieder zu sehen. Lole zeigte keine übertriebene Begeisterung. Manu steckte in schmutzigen Geschäften. Lole servierte im Cintra, einer Kneipe am Alten Hafen. Sie lebten in der Erwartung von Ugos Rückkehr. Beide hatten ihre Liebschaften, die sie einander entfremdeten.
Manu liebte aus Verzweiflung. Jede neue Frau entfernte ihn weiter von Lole . Lole liebte, wie sie atmete. Sie ging für zwei Jahre nach Madrid, kam zurück nach Marseille, verließ es wieder, um sich bei ihren Cousins in Ariège in den Pyrenäen niederzulassen. Wann immer sie in Marseille auftauchte, war Ugo nicht da.
Vor drei Jahren war sie mit Manu nach L'Estaque gezogen, um dort gemeinsam zu leben. Für Manu kam es zu spät. Verdruss musste ihn zu dieser Entscheidung bewegt haben. Oder die Angst davor, dass Lole wieder weggehen und ihn allein zurücklassen könnte. Mit seinen gestorbenen Träumen. Und seinem Hass.
Ich hatte monatelang geschuftet. Ugo hatte Recht. Wir mussten uns anpassen. Abhauen. Oder töten. Aber ich war kein Mörder. Und ich war Polizist geworden.
Und Scheiße, sagte ich mir, wütend, weil ich nicht einschlafen konnte.
Ich stand auf, machte mir einen Kaffee und ging noch einmal unter die Dusche. Ich trank meinen Kaffee nackt. Ich legte eine Platte von Paolo Conte auf und setzte mich in den Sessel.
Guardate dai treni in corsa ...
Gut, ich hatte eine Spur. Toni. Den dritten Mann. Vielleicht. Wie hatten diese Typen Leila in die Enge getrieben? Wo? Wann? Warum? Was nützte es mir, diese Fragen zu stellen? Sie hatten sie vergewaltigt und anschließend ermordet.
Das war die Antwort auf meine Fragen. Sie war tot. Warum noch Fragen stellen. Um es zu verstehen. Ich wollte immer verstehen. Manu, Ugo, Leila. Und Lole . Und all die anderen. Aber gab es heute noch etwas zu verstehen? Waren wir nicht alle dabei, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen? Weil es keine Antworten mehr gab. Und die Fragen nirgendwohin führten. Doch Schlaflosigkeit löste die Fragen auch nicht.
Come di come di
Die Komödie eines Tages, die Komödie des Lebens
Wohin würde Batisti mich führe n? In einen Haufen Ärger. Das w ar klar. Gab es eine Verbindung zwischen Man us und Ugos Tod? Eine andere Verbindung als Ugos Rache für Manu? Wer hatte ein Inte - resse daran, Zucca töten zu
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