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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Farge.«
    »Herrgottnochmal!«
    Auch das beste Sofa ist unbequem. Man schläft dort nur aus Verlegenheit. Weil jemand anders in deinem Bett liegt. Ich hatte nicht mehr auf meinem geschlafen, seit Rosa das letzte Mal eine Nacht hier verbracht hatte.
    In der Hoffnung, unsere Beziehung noch einmal zu retten, hatten wir bis zum Morgengrauen geredet und getrunken. Unsere Liebe stand nicht zur Debatte. Es ging um sie und um mich. Mehr um mich. Ich weigerte mich, ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen: ein Kind. Ich konnte ihr keinen einzigen vernünftigen Grund nennen. Ich war nur in mir selbst gefangen.
    Clara, die einzige Frau, die ich je geschwängert hatte — versehentlich, zugegeben —, hatte abgetrieben, ohne es mir zu sagen. Ich sei nicht zuverlässig, hatte sie mir vorgehalten. Hinterher, um ihre Entscheidung zu begründen. Ich war zu sehr hinter den Frauen her. Ich liebte sie zu sehr. Ich wurde schon durch einen Blick untreu. Man konnte mir nicht trauen. Ich war ein Liebhaber. Ich würde nie ein Ehemann sein. Noch weniger ein Vater. Das war natürlich das Ende unserer Beziehung. In meiner Vorstellung hatte ich den Vater getötet, obwohl er nur einen Mittagsschlaf hielt.
    Rosa liebte ich. Ein Engelsgesicht, umrahmt von einer Fülle locki - ger, kastanienbrauner, fast roter Haare. Sie hatte ein entwaffnendes, umwerfendes Lächeln, wenngleich fast immer mit einer Spur von Trauer. Das war es, was mich am Anfang verführt hatte: ihr Lächeln. Heute konnte ich ohne Schmerz an sie denken. Sie war mir nicht gleichgültig geworden, hatte aber etwas Unwirkliches für mich angenommen. Es hatte gedauert, bis ich von ihr losgekommen war. Von ihrem Körper. Wenn wir zusammen waren, brauchte ich nur die Augen zu schließen, um sie zu begehren. Ihr Bild verfolgte mich noch immer. Oft fragte ich mich, ob dieses Begehren wieder auf - flammen würde, wenn sie einfach so ohne Ankündigung hier auftauchen würde. Ich wusste es immer noch nicht.
    Doch, ich wusste es. Seit ich mit Lole geschlafen hatte. Man konnte nie vergessen, Lole geliebt zu haben. Es war keine Frage ihrer Schönheit. Rosa hatte einen Luxuskörper mit fein gezeichneten Rundungen. Alles an ihr war sinnlich. Die kleinste Geste. Lole war schmaler, geradliniger. Federleicht bis zu ihrem Gang. Sie erinnerte an die »Gradiva« auf den Fresken in Pompeji. Sie streifte den Boden beim Gehen, ohne ihn zu berühren. Sie zu lieben, hieß, sich auf Reisen zu begeben. Sie entführte einen. Und bei der Liebe hatte man nicht das Gefühl, etwas zu verlieren, sondern etwas zu finden.
    Das hatte ich empfunden, auch wenn ich es wenige Augenblicke danach wieder zerstört hatte. Manu hatte eines Abends in der Fischerhütte verärgert ausgerufen: »Scheiße, wenn man liebt, warum hält es nicht an!« Wir hatten nichts zu antworten gewusst. Mit Lole gab es etwas nach der Lust.
    Seitdem lebte ich in diesem Danach. Ich hatte nur einen Wunsch: sie wieder zu finden, sie wieder zu sehen. Auch wenn ich mich seit drei Monaten weigerte, das zuzugeben. Auch wenn ich mich keiner Illusion hingab. Ihre Finger brannten noch auf meiner Haut. Die Scham lebte noch auf meiner Wange. Nach Lole hatte ich nur zu Marie-Lou finden können. Wir liebten uns wie zwei Verlorene. Aus Verzweiflung. Bei den Huren endet man aus Verzweiflung. Aber Marie-Lou verdiente etwas Besseres.
    Ich drehte mich um. In dem Gefühl, nicht einschlafen zu können. Die unveränderte Sehnsucht nach Lole . Das verdrängte Begehren nach Marie-Lou. Was hatte ihr Macker mit der Geschichte zu tun? Leilas Tod war wie ein Stein, den man ins Wasser wirft.
    Die Ringe zogen weite Kreise, in denen sich Bullen, Ganoven und Faschisten tummelten. Und jetzt Raoul Farge, der genug Material in Mourrabeds Keller deponiert hatte, um die Bank von Frankreich im Sturm zu nehmen.
    Verdammt! Wofür waren diese ganzen Waffen? Eine interessante Idee kam mir in den Sinn, ertrank aber im letzten Schluck Laga - vulin. Es gelang mir nicht mehr, auf die Uhr zu sehen. Als der Wecker klingelte, meinte ich, kein Auge zugemacht zu haben.
    Marie-Lou musste die ganze Nacht mit Ungeheuern gekämpft haben. Die Kissen waren vom vielen Hinundherwerfen zerknüllt, die Laken zerknittert. Sie schlief auf dem Bauch, die Decke unter sich, das Gesicht abgewandt. Ich konnte es nicht sehen, nur ihren Körper. Ich kam mir ziemlich blöd vor mit meinem Kaffee und den Croissants.
    Ich war eine gute halbe Stunde geschwommen. Lange genug, um alle Zigaretten dieser Welt auszuhusten und

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