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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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es das erste Mal. Behutsam. Leidenschaftlich. Und ohne Hintergedanken. Ihre Augenringe verschwan - den. Ich ließ mich zur Seite fallen. Sie sah mich einen Augenblick lang an, etwas lag ihr auf der Zunge. Statt zu reden, lächelte sie mich an. Ihr Lächeln war so zärtlich, dass ich auch keine Worte fand. Wir blieben so liegen, still, den Blick abgewandt. Schon auf der Suche, jeder für sich, nach einem möglichen Glück. Als ich sie verließ, war sie keine Nutte mehr. Aber ich war immer noch ein verdammter Bulle.
    Und das, was mich erwartete, kaum war ich zur Tür hinaus, daran bestand kein Zweifel, war die mieseste Geschichte der Welt.

Elftes Kapitel
    In dem die Dinge laufen,
wie sie sollen

    Nach Pérols saurer Miene zu urteilen, lag Ärger in der Luft. Aber ich war auf das Schlimmste gefasst.
    »Der Chef will dich sehen.«
    Eine Sensation! Mein Chef hatte mich seit zwei Jahren nicht mehr zu sich gerufen. Seit dem Tumult, den Kader und Driss ausgelöst hatten. Varounian hatte dem Méridional einen Brief geschickt. Er erzählte sein Leben, wie die Araber sein Geschäft beeinträchtigten, dauernd klauten, und stellte die Ereignisse aus seiner Sicht dar. »Das Gesetz«, schloss er, »ist das Gesetz der Araber. Die Justiz ist ihre Justiz. Frankreich kapituliert vor ihrer Invasion, weil die Polizei auf ihrer Seite steht.« Er endete seinen Brief mit einem Slogan des Front National: »Liebt Frankreich, oder verlasst es!«
    Nun gut, der Brief löste keine Lawine aus wie Zolas »J'accuse«. Aber die Bezirkswache, die es eh schon nicht mochte, dass wir auf ihrem Territorium jagten, hatte einen niederschmetternden Bericht über meine Brigade abgeliefert. Mich hatten sie besonders im Visier. Meine Mannschaft sicherte einwandfrei den Schutz auf öffentlichen Plätzen. Das wurde anerkannt. Aber man warf mir vor, in den Wohnsiedlungen nicht streng genug zu sein. Zu oft und zu lange mit Kriminellen, vor allem Einwanderern und Zigeunern, zu ver - handeln. Es folgte eine Liste aller Fälle, in denen ich in ihrem Beisein zu lax gewesen war.
    Das ganze Haus wusch mir gründlich den Kopf. Zuerst mein Chef. Danach der große Boss. Meine Aufgabe war nicht, zu verstehen, sondern zu unterbinden. Ich war da, um für Ordnung zu sorgen. Gerechtigkeit würden die Richter schon walten lassen. In der Angelegenheit, die im Meridional groß ausgewalzt wurde, hatte ich versagt.
    Der große Boss kam dann auf den Punkt, der in aller Augen eine Majestätsbeleidigung der Polizei war: meine Zusammen k ünfte mit dem Streetworker Serge . Serge hatte ich eines Abends a uf dem Revier kennen gelernt. Er hatte sich zusammen mit etwa fünfzehn Kids auf dem Parkplatz des Simiane schnappen lassen. Das Übliche . Musik von Kassetten im Hintergrund, Schreie, Lachen, knatternde Mofas ... Er hatte sich mit ihnen ein paar Biere hinter die Binde gegossen. Nicht mal seine Papiere hatte er dabei, der Idiot!
    Serge amüsierte sich. Er sah aus wie ein überalterter Teenager. In den gleichen Klamotten. »Bandenchef« hatten sie ihn genannt. Er hatte nur gefragt, wo er mit den Kids hingehen könne, um Lärm zu machen, ohne jemanden zu stören. Reine Provokation, zumal weit und breit nur Betonbauten und Parkplätze zu sehen waren. Zugegeben, die Jungs waren keine Chorknaben. Vier oder fünf hatten sich schon wegen kleineren Diebstählen und anderen Dumm - heiten erwischen lassen.
    »Klar, und wir sind es, die deine Rente bezahlen! Also halt die Fresse!«, schrie Malik Babar an, einen der ältesten Polizisten auf dem Revier.
    Ich kannte Malik. Fünfzehn Jahre alt, vier Autodiebstähle auf dem Konto. »Wir wissen nicht mehr, was wir mit ihm machen sollen«, hatte der stellvertretende Staatsanwalt erklärt. »Alle Versuche, ihn in einem geregelten Arbeitsverhältnis unterzubringen, sind geschei - tert.« Als wir mit ihm fertig waren, ging er wieder in sein Viertel. Da war er zu Hause. Er hatte sich mit Serge angefreundet. Weil man mit dem verdammt noch mal reden konnte.
    »Scheiße, ist doch wahr, echt, eh«, sagte er, als er mich sah. »Wir sind es, die bezahlen!«
    »Halt 's Maul!«, hatte ich gesagt.
    Babar war kein schlechter Kerl. Aber zu der Zeit musste er einen wahren Rekord an Verhaftungen aufweisen, um die Quoten zu erfüllen. Hundert im Monat. Schaffte er das nicht, dann adieu Budget und Mannschaftsstärke.
    Ich mochte Serge. Er war ein wenig zu sehr »Priester«, als dass ich mich mit ihm hätte anfreunden können, aber ich schätzte seinen Mut und seine Liebe zu

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