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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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gefährlich. Die schrecken vor nichts zurück«, sagte ich und dachte an die Visagen von Morvan und Wepler.
    Sie sah mich ununterbrochen an. Ich begehrte sie sehr stark. Am liebsten hätte ich mich auf sie geworfen und sie genommen, gleich dort, auf dem Boden. Es war die einfachste Art, einem Gespräch auszuweichen. Ich glaubte nicht, dass sie sich wünschte, dass ich über sie herfiel. Ich rührte mich nicht.
    »Das habe ich verstanden. Aber was bin ich für dich?«
    »Eine Nutte ... die ich sehr gern habe.«
    »Arschloch!« Sie warf ihr Glas nach mir. Ich hatte es geahnt und wich aus. Das Glas zerbrach auf den Kacheln. Marie-Lou rührte sich nicht.
    »Willst du ein neues Glas?«
    »Ja, bitte.«
    Ich schenkte ihr nach und setzte mich neben sie. Das Schlimmste war vorüber.
    »Willst du deinen Zuhälter verlassen?«
    »Ich habe nichts anderes gelernt.«
    »Ich wünschte, du würdest etwas anderes tun.«
    »Ach ja, und was? Kassiererin im Kaufhaus, meinst du das?«
    »Warum nicht? Die Tochter von meinem Partner macht das. Sie ist so alt wie du, oder kaum älter.«
    »Das ist die Hölle!«
    »Ist es besser, dich von wildfremden Mackern fertig machen zu lassen?«
    Sie gab keine Antwort. Starrte versunken in ihr Glas. Wie neulich Abend, als wir uns im O'Stop getroffen hatten.
    »Hast du schon mal daran gedacht?«
    »Ich schaff mein Pensum nicht mehr, seit einiger Zeit. Ich kann nicht mehr. Mich von all diesen Typen bumsen lassen. Daher die Abreibung.«
    »Ich dachte, das war meinetwegen.«
    »Du warst nur der Vorwand.«
    Wir redeten bis zum Morgengrauen. Marie-Lous Geschichte war die Geschichte aller Marie-Lous dieser Welt. Aufs Komma genau. Angefangen mit der Vergewaltigung durch Papa, arbeitslos, wäh - rend Mama putzen geht, um die Familie zu ernähren. Den Brüdern, die sich einen Scheiß dreck drum kümmern, weil du nur e in Mädchen bist. Außer wenn sie dich mit einem Weißen oder, noch schlimmer, mit einem Nordafrikaner erwischen. Es regnet Ohrfeigen für nichts und wieder nichts. Weil Ohrfeigen die Flüche der Armen sind.
    Marie-Lou war mit siebzehn a bgehauen, eines Abends, als sie a us der Schule kam. Allein. Ihr kleiner Schulfreund hatte sich dünne gemacht. Ciao, Pierrot. Und adieu, Garenne-Colombes am Stadtrand von Paris. Auf nach Süden. Der erste Lastwagenfahrer fuhr nach Rom.
    »Auf der Rückfahrt habe ich begriffen, dass ich als Hure enden würde. Er hat mich in Lyon rausgeschmissen, mit fünfhundert Francs. Seine Frau und seine Gören warteten auf ihn. Er hatte mich für mehr als das gevögelt, aber was so l ls, es hat mir gefallen! Er hätte mich auch ohne einen Centime auf die Straße setzen können. Er war der Erste, es hätte schlimmer kommen können. All die anderen Typen, die ich später kennen gelernt habe, dachten auch nur an das eine, mich zu ficken. Keiner blieb länger als eine Woche. In ihrem beschränkten Schädel war ich zu schön für eine ehrenhafte Frau. Ich muss ihnen irgendwie Angst eingejagt haben, nachdem sie mich taxiert hatten. Ein zu gutes Schnäppchen. Oder sie haben schon die Hure in mir gesehen, die ich werden würde. Was glaubst du?«
    »Ich glaube, dass der Blick der anderen eine tödliche Waffe ist.«
    »Schön gesagt«, meinte sie müde. »Aber ein Mädchen wie ich wäre doch was für dich, he?«
    »Die Mädchen, die ich geliebt habe, sind alle gegangen.«
    »Ich könnte bleiben. Ich habe nichts zu verlieren.«
    Ihre Worte wühlten mich auf. Sie meinte es ernst. Sie lieferte sich aus. Und sie gab sich hin, Marie-Lou.
    »Ich könnte es nicht ertragen, von einer Frau geliebt zu werden, die nichts zu verlieren hat. Lieben heißt gerade das: die Möglichkeit, zu verlieren.«
    »Du bist nicht ganz richtig im Kopf, Fabio. Du bist unglücklich, nicht wahr?«
    »Ich bin nicht stolz darauf.«
    Ich musste lachen. Nicht über sie. Sie sah mich an, und ich meinte, Traurigkeit in ihrem Blick zu erkennen. Ich wusste nicht, ob sie ihretwegen oder meinetwegen traurig war. Sie drückte ihre Lippen auf meine. Sie roch nach Cashewöl.
    »Ich gehe ins Bett«, sagte sie. »Es ist besser so, oder nicht?«
    »Das ist besser«, hörte ich mich wiederholen und stellte fest, dass es zu spät war, um über sie herzufallen. Darüber musste ich lächeln.
    »Weißt du was«, meinte sie, als sie aufstand, »eine von den Gestalten auf dem Foto kenne ich.« Sie hob das Foto vom Boden auf und zeigte mit dem Finger auf einen Mann neben Toni. »Das ist mein Zuhälter. Raoul

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