Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
noch Leichen.«
»Du wusstest Bescheid? Morvan? Alles?«
Er nickte. Zufrieden mit sich, alles in allem. »Sie haben einen Fehler nach dem anderen gemacht. Der erste war dein Kumpel. Das war eine Nummer zu groß.«
»Über Ugo wusstest du auch Bescheid? Du hast ihn machen lassen?«
»Wir mussten es bis zum Ende durchziehen. Wir bereiteten den Coup des Jahrhunderts vor! Festnahmen in ganz Europa!«
Er bot mir eine Zigarette an. Ich schlug ihn mit einer Kraft in die Fresse, die ich aus den tiefsten, finstersten und feuchtesten Löchern schöpfte, in denen Manu, Ugo und Leila vermoderten. Ich schrie.
Und ich wurde ohnmächtig, schien mir.
Epilog
In dem sich nichts ä ndert und ein
neuer Tag anbricht
Der Pinkeldrang weckte mich gegen Mittag. Der Anrufbeantworter vermeldete sechs Botschaften. Sie gingen mich eigentlich nichts an. Ich tauchte sofort wieder in tiefste Finsternis, als hockte ich in einem Amboss, auf den ich selbst geschlagen hatte. Als ich wieder auftauchte, ging die Sonne unter. Elf Nachrichten, die ebenso gut noch warten konnten. In der Küche, ein kurzer Gruß von Honorine: »Hab nicht gesehen, dass Sie schlafen. Im Kühlschrank stehen gefüllte Auberginen. Marie-Lou hat angerufen. Es geht ihr gut. Kuss von ihr. Babette hat Ihren Wagen zurückgebracht. Kuss auch von ihr.« Und darunter: »Sagen Sie, ist Ihr Telefon kaputt, oder was? Dicker Kuss von mir.« Und noch darunter: »Ich hab die Zeitung gelesen.«
Ich konnte mich nicht ewig so abkapseln. Vor der Haustür drehte die Erde sich weiter. Es liefen ein paar Mistkerle weniger auf dem Planeten herum. Es war ein neuer Tag. Aber geändert hatte sich nichts. Draußen roch es immer noch faul. Ich konnte nichts dafür. Niemand konnte etwas dafür. Das nannte sich Leben, dieser Cocktail aus Hass und Liebe, Stärke und Schwäche, Gewalt und Passivität. Und das Leben wartete auf mich. Meine Chefs, Argue, Cerutti. Pérols Frau. Driss, Kader, Yasmine, Karine. Mouloud. Mavros. Djamel, vielleicht. Marie-Lou, die mir einen Kuss schickte. Und Babette und Honorine, die mir auch einen Kuss schickten.
Ich hatte Zeit. Brauchte Ruhe. Wollte nicht rausgehen und noch weniger reden. Ich hatte die gefüllten Auberginen, zwei Tomaten und drei kleine Zucchini. Mindestens sechs Flaschen Wein, darunter zwei weiße Cassis. Eine kaum angebrochene Stange Zigaretten. Genug Lagavulin. Ich konnte es aushalten. Noch eine Nacht. Und einen Tag. Und vielleicht noch eine Nacht.
Jetzt, wo ich geschlafen hatte, wo sich die Benommenheit der letzten vierundzwanzig Stunden verzogen hatte, hatten die Phan - tome freie Bahn. Sie hatten ihren Angriff begonnen. Mit einem Totentanz. Ich saß rauchend in der Badewanne, ein Glas Lagavulin neben mir. Ich hatte die Augen einen Moment geschlossen. Sie waren alle aufgetaucht. Unförmige Massen, knorpelig und blutig. Halb verwest. Unter Batistis Anleitung gruben sie geschäftig die Leichen von Manu und Ugo aus. Und von Leila, der sie die Kleider vom Leib rissen. Es gelang mir nicht, das Grab zu öffnen, um hinunterzusteigen und sie zu retten. Sie diesen Ungeheuern zu entreißen. Angst, einen Fuß in das schwarze Loch zu setzen. Aber Argue hinter mir, die Hände in den Taschen, stieß mich mit Fußtritten in den Arsch in die Tiefe. Ich taumelte in den klebrigen Abgrund. Ich streckte den Kopf aus dem Wasser. Heftig atmend. Dann spritzte ich mich mit kaltem Wasser ab.
Nackt, mein Glas in der Hand, betrachtete ich das Meer durchs Fenster. Eine Sternenlose Nacht. Das war mein Glück! Ich traute mich nicht auf die Terrasse, aus Angst, Honorine zu treffen. Ich hatte mich gewaschen und abgerubbelt, aber der Todesgeruch klebte mir noch immer auf der Haut. Er saß im Kopf, das war viel schlimmer. Babette hatte mir das Leben gerettet. Argue auch. Ich mochte sie. Ich verabscheute ihn.
Ich hatte noch immer keinen Hunger. Und das Rauschen der Wellen war mir unerträglich. Es ging mir auf die Nerven. Ich nahm zwei Lexomil und ging wieder ins Bett.
Als ich am nächsten Morgen gegen acht aufstand, tat ich drei Dinge. Ich trankauf der Terrasse mit Honorine einen Kaffee. Wir redeten banales Zeug, sprachen vom Wetter, von der Trockenheit und den Bränden, die sich schon wieder entzündeten. Dann schrieb ich meine Kündigung. Kurz und knapp. Ich wusste nicht mehr recht, wer ich war, aber bestimmt kein Polizist. Danach schwamm ich fünfunddreißig Minuten. Ohne mich zu hetzen. Locker. Als ich aus dem Wasser stieg, betrachtete ich mein Boot. Es war noch zu früh,
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