Marsha Mellow
schwul? Zufällig ist dieser zufällig schwule Pfarrer der Beichtvater ihres Vertrauens. Spitzenidee, Amy, muss ich schon sagen.«
»Lisa, das bringt uns doch nicht weiter«, bemerkt Ant in sanftem Ton, um die Lage wieder zu entspannen.
»Ach, Ant, du kannst mich mal«, brüllt Lisa. »Du bist keinen Deut besser als sie. Warum hast du denn bei dieser Schmierenkomödie mitgespielt?«
»Sei du mal ganz ruhig, Lisa«, brülle ich dazwischen. »Und warum habe ich bei deiner Schmierenkomödie mitgespielt? Hättest du nicht mein Manuskript verschickt...«
»Weißt du was?«, unterbricht mich Lisa. »Mir reicht‘s. Ich habe genug von dieser durchgeknallten Familie. Ihr zwei könnt die Suppe auch allein auslöffeln.«
Woraufhin sie auf dem Absatz kehrtmacht und aus dem Zimmer rauscht. Gleich darauf hören wir die Haustür knallen. Jetzt sind wir unter uns.
»Das läuft ja wie am Schnürchen«, sagt Ant. »So, wie wär‘s mit einem schönen heißen Tee?«
Ich gebe keine Antwort. Ich habe nämlich die Mail von gestern auf dem Couchtisch erspäht: »PORNOQUEEN IN LONDONER AUSSENBEZIRK AUFGESPÜRT«. Ich nehme sie in die Hand und überfliege den Bericht. Wie Mary mir bereits versichert hat, haben die zwar nicht meinen Namen, aber dafür meine Personenbeschreibung. Demnach bin ich eine »einfache Frau Mitte zwanzig mit braunen Haaren« und lebe in »Crouch End, wo an und für sich anständige Bürger wohnen«.
»Was fällt denen ein, dich als ›einfach‹ zu bezeichnen«, sagt Ant, der mir über die Schulter schaut.
Mir hat es die Sprache verschlagen, weil ich plötzlich ein Déjà-vu habe. Nachdem sich die Riverdance-Truppe eine Auszeit gegönnt hat, während ich in New York war, meldet sie sich jetzt wieder zurück. Das Gekicke in meinem Magen kenne ich ja schon, aber dieses Mal scheinen sie einen schlechten Trip eingeworfen zu haben und die Steppschuhe gegen die mit Spikes getauscht zu haben.
»Woher wissen die das alles?«, bringe ich hervor.
»Was weiß ich? Was ist mit deiner Agentin? Oder mit Lisa? Sie scheint ja im Moment einen dicken Hals auf dich zu haben.«
Ich schüttle den Kopf.
»Dann eben dein Erpresser.«
»Mary hat gesagt, dass sie sich um ihn gekümmert hat. Außerdem, glaubst du nicht, dass die dann eine bessere Beschreibung von mir hätten?«
»Vielleicht dein Verleger?«, rätselt Ant.
»Der weiß weder, wie ich heiße, noch wo ich wohne.«
Angestrengt überlege ich, was ich ihm bei dem Treffen alles erzählt habe. Vielleicht habe ich mich ja irgendwie verplappert. Aber mir fällt nichts ein.
»Aber der war es bestimmt nicht. Sonst würde er ja riskieren, dass euer Vertrag platzt«, meint Ant. Gleich darauf legt er den Arm um mich und drückt mich, weil bei mir natürlich die Tränen kullern.
»Können wir nicht zurück nach New York?«, frage ich schluchzend.
Es ist mein Ernst. Mir doch egal, dass da jeder eine Waffe hat und ständig geschossen wird und man bei vorbeifahrenden Autos in Deckung gehen muss, weil ich mich da nämlich trotzdem um einiges sicherer gefühlt habe.
»Du kannst nicht schon wieder weglaufen«, sagt Ant mit sanfter Stimme.
Er hat Recht. Das geht nicht. Weil in diesem Moment gerade die Haustür geöffnet wird. Das muss Dad mit seiner Gefangenen sein.
»Scheiße, Ant, die dürfen dich hier nicht sehen«, zische ich.
Nichtsdestotrotz rührt sich keiner von uns vom Fleck. Als hätten wir aneinander geklammert in dem Axminster-Teppich Wurzeln geschlagen. Gut, ich nehme an, es gibt schlimmere Arten zu sterben als in den Armen des besten Freundes.
Als Nächstes geht die Wohnzimmertür auf.
Es ist jedoch nur Lisa, die sich augenscheinlich wieder beruhigt hat.
»Tut mir Leid«, sagt sie. »Mir sind vorhin die Nerven durchgegangen.«
»Schon okay«, erwidere ich. »Mir doch auch.«
Ich löse mich von Ant und umarme meine kleine Schwester.
»Dad hat mich soeben auf dem Handy angerufen«, meint sie. »Er ist auf dem Weg nach Hause.«
»Du solltest jetzt besser gehen, Ant«, sage ich.
»Nein, wir brauchen nichts zu überstürzen. Er kommt allein«, erläutert Lisa. »Die behalten Mum über Nacht da... Anscheinend hat sie mit ihrer Handtasche eine Scheibe auf der Polizeiwache zerschmettert. Der Dienst habende Polizist musste mit drei Stichen genäht werden.«
Meine Mutter, eine glühende Verfechterin klassischer Benimmregeln, soll eine Nacht in einer Zelle zusammen mit lauter Betrunkenen und Autodieben verbringen. Das wird immer besser.
»Wie wär‘s mit einem
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