Marsha Mellow
verkündete mir, dass er auf meinen Freund stand. Wir kriegten uns deswegen in die Haare und gingen uns hinterher wochenlang aus dem Weg.
»Ich habe dir immer alles anvertraut«, redet er weiter. »Das hätte ich mir wohl getrost schenken können, hätte ich gewusst, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Zwei ganze Jahre lang hast du mir das verschwiegen.«
»Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen, Ant.«
»Solltest du auch.«
»Es tut mir schrecklich Leid. Ich nehme mal an, das wirst du mir nie verzeihen.«
»Verzeihen? Scheiße, eigentlich sollte ich dich verklagen. Ich geh jetzt duschen.«
Daraufhin steht er auf und stapft in Richtung Bad davon.
Zwanzig Minuten später erscheint er wieder auf der Bildfläche, glücklicherweise jetzt ohne Bart. Ich war während seiner Abwesenheit nicht untätig. Auf dem Couchtisch steht mittlerweile ein Frühstückstablett. Es ist zwar erst halb sechs und vielleicht noch etwas früh, aber ich will ihn unbedingt wieder milde stimmen.
»Friedensangebot«, sage ich.
Er gibt keine Antwort. Stattdessen schnappt er sich ein Schinkensandwich und beißt ein großes Stück ab. Er kaut schweigend ...Jetzt macht er den Mund auf... und beißt erneut in das Sandwich. Gott, ich wünschte, er würde etwas sagen.
»Ant, es tut mir wirklich aufrichtig Leid«, stoße ich hervor. »Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen, aber es ging alles so schnell und ...«
»Du hattest zwei ganze Jahre Zeit.«
»Ich weiß«, erwidere ich kläglich. »Dabei ist kein einziger Tag vergangen, an dem ich nicht mit dem Gedanken gespielt habe, zum Hörer zu greifen, aber je mehr die Zeit verging, umso schwerer fiel es mir... Du hasst mich jetzt bestimmt«, verstumme ich in jämmerlichem Ton.
»Wenn du es unbedingt wissen willst, ich bin total stolz auf dich«, sagt er daraufhin mit ruhiger Stimme. »Auch wenn ich nicht glauben kann, dass du ein Buch geschrieben hast. Versteh mich jetzt nicht falsch, selbstverständlich bezweifle ich nicht, dass du das Buch geschrieben hast - ich wusste schon immer, dass du das Zeug dazu hast. Ich kann nur nicht glauben, dass du die Nerven hattest, es zu veröffentlichen.«
»Hatte ich auch nicht... Das haben wir Lisa zu verdanken.«
Nachdem ich Donnas Geschichte (es gab keinen Titel - schließlich war das nicht nötig, da ja keine Veröffentlichung geplant war) fertig hatte, vergaß ich sie rasch wieder. Die Therapie war erfolgreich gewesen. Ich hatte Jake Bedford aus meinem System gelöscht. Nur hin und wieder verspürte ich einen Stich, meistens wenn ich in einem Buchladen ein Taschenbuch sah mit einem explodierenden/aufgeschlitzten Planeten/Androiden auf dem Cover.
Damit wäre die Sache im Grunde auch gegessen gewesen, aber ich hatte Lisa nicht auf der Rechnung. Als wir eines Abends zusammen aus waren, kam sie anschließend mit zu mir, und da sie nicht schlafen konnte, entdeckte sie irgendwann meinen Laptop und kurze Zeit später auch Donna. Von diesem Augenblick an sollte mein Leben einen anderen Verlauf nehmen.
»Es ist unglaublich, Amy. Witzig, spritzig... und richtig schweinisch«, sprudelte sie am nächsten Morgen direkt los. »Mir ist schleierhaft, wie du das hingekriegt hast. Ich bekomme ja schon eine Blockade, wenn ich die Einkaufsliste schreibe. Du musst es unbedingt an ein paar Verlage schicken.«
»Das werde ich nicht tun«, widersprach ich. »Das ist doch Schund.«
»Keineswegs. Das ist das beste Buch seit... äh ... seit Der Fänger im Roggen.«
»Hast du das denn überhaupt gelesen?«
»Was hat das denn damit zu tun? Jedenfalls behauptet jeder, der es gelesen hat, dass es klasse ist. Und dein Buch ist ebenfalls klasse. Ende der Geschichte.«
»Ganz genau, Ende der Geschichte. Ich werde das Buch niemandem zeigen, also vergiss es.«
Was sie natürlich nicht getan hat. Wochenlang nervte sie mich mit dem Thema, bis es mir schließlich zu bunt wurde und ich das Manuskript von der Festplatte löschte.
Vorbei.
Endgültig.
Ende gut, alles gut.
Nicht ganz, denn Lisa hatte sich in ihrer fürsorglichen Art das Dokument bereits selbst gemailt, ausgedruckt und an ein halbes Dutzend Literaturagenten geschickt. Selbstverständlich ohne mir ein Wort davon zu sagen, und sie hätte es mir auch gänzlich verschwiegen, wenn sie sechs Absagen bekommen hätte. Aber es waren nur fünf. Der sechste Agent war ganz wild darauf, Marsha Mellow kennen zu lernen, mein neues Pseudonym, das sich Lisa ausgedacht hatte. (»So bleibst du anonym. Genial, was? Die
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