Marsha Mellow
zur Aufgabe gemacht, mir etwas beizubringen. So habe ich bei ihm einen Crash-Kurs über richtiges Benehmen in gehobenen Restaurants, über Wurmlöcher und über immer... äh ... bizarreren Sex absolviert, aber nach vier Monaten war Schluss damit.
Ich bin an dem Abend durchgefallen, als er mir aus heiterem Himmel diese eine Frage stellte. Ich habe die Szenerie noch lebhaft vor Augen - offenbar eine weibliche Eigenart. Wir aßen bei seinem Lieblingsitaliener in Highgate. Dort war er ein gern gesehener Gast, zumal auch sein Porträt an der Wand hing (zwischen Wayne Sleep und irgendeinem Schauspieler aus The Bill). Während des Hauptgerichts stellte er die Frage. Nein, er machte mir keinen Heiratsantrag - damit hätte ich noch umgehen können. Vielmehr lautete die Frage: »Amy, was hältst du eigentlich davon, zu einer Swingerparty zu gehen?«
»Ich weiß nicht so recht, Jake«, erwiderte ich, den Mund voll mit Fettuccine. »Wenn ich ehrlich bin, habe ich es nicht so mit den Sechzigern.«
Mann, er hat Tränen gelacht.
Tja, tut mir Leid, aber bei dem Wort »Swingerparty« hatte ich unmittelbar Austin Powers vor Augen, wie er im Cabrio mit offenem Verdeck in London Party feiert. Ich dachte, Jake erwartet von mir, dass ich mir einen Minirock mit psychedelischem Muster und weiße Plateaustiefel anziehe und eine Cher-Perücke überstülpe, während er Schlaghosen aus dunkelrotem Samt und eine halbe Tonne Liebesperlen trägt.
Einerseits kam ich mir wie ein Vollidiot vor, als er mich aufklärte, aber andererseits war ich auch angewidert.
»Lass mich das noch einmal klarstellen«, sagte ich. »Du möchtest also, dass ich dich zu einer Party begleite und dort mit Leuten vögle, denen ich zum ersten Mal in meinem Leben begegne?«
»Mehr oder weniger.«
»Und du tust dasselbe?«
»Mhm.«
»Vergiss es. Niemals.«
Das war mein voller Ernst. Ich wollte zwar kein Spielverderber sein, aber mir schien es vernünftiger, mich von vornherein jeglichen Sexualpraktiken vor Publikum zu verweigern.
»War bloß so ´ne Idee«, meinte er und wechselte gleich darauf das Thema.
Nichtsdestotrotz ließ mich der Gedanke nicht mehr los. Er hatte den Vorschlag gemacht, als wäre es das Normalste in einer fortgeschrittenen Beziehung - romantische Abendessen, lange Spaziergänge durch die Natur, wildes Rudelbumsen mit sabbernden Spannern sodass ich meine anfängliche Ablehnung langsam hinterfragte. Immerhin hatte ich noch nicht so viele Beziehungen, woher wollte ich also wissen, was normal war? Vielleicht tat das ja jeder. Beispielsweise das ältere Paar am Nebentisch. Oder Posh und Becks, zusammen mit ihren Promifreunden. Oder meine Eltern. Warum auch nicht?
Mir drängte sich das Bild von meiner Mutter in einem Kleid aus PVC und einer Rüschenschürze auf, wie sie auf ihrer Vorderveranda steht... »Kommt herein, fühlt euch wie zu Hause. Das Büfett steht in der Küche - nichts Besonderes, nur Würstchen im Schlafrock und Käsehäppchen. Es gilt natürlich freie Partnerwahl. Ach, Amy, begrüße doch mal Reverend Swinton - seit deiner Taufe hat er nämlich einen Narren an dir gefressen. Du findest ihn auf allen vieren neben der Schusterpalme - hat sein übliches Hundehalsband gegen ein echtes ausgetauscht, Gott segne ihn. Wo steckt eigentlich dein Vater schon wieder? Ich versuch‘s mal in der ›Folterkammer‹ - übrigens dein ehemaliges Zimmer.«
Jake musste ebenfalls noch einmal darüber nachgedacht haben, zumal er das Thema erneut zur Sprache brachte, als unser Dessert serviert wurde. »Denk noch einmal darüber nach, Amy. Betrachte es als wichtige Erfahrung im Leben.« (Verstehen Sie? Bloß eine Erfahrung fürs Leben.) »Das wird bestimmt lustig. Und dich zwingt ja auch niemand, mitzumachen. Und wenn doch, umso besser.«
Wo nur habe ich diese Sätze schon einmal gehört? Von meiner Mutter, als sie mich zum Pfadfindercamp überreden wollte. Allerdings hat sie bestimmt nicht damit gerechnet, dass die weise Eule eine frühreife Lesbenorgie feiern würde.
»Das sind Erfahrungen fürs Leben, weißt du«, redete Jake weiter.
»Augenblick mal«, sagte ich, »du kennst das aus eigener Erfahrung?«
»Ein bisschen.«
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich naiverweise davon ausgegangen, dass das für ihn ebenfalls Neuland sei - dass wir beide ins kalte Wasser springen müssten.
»Wie viel ist denn ›ein bisschen‹?«, fragte ich.
»Keine Ahnung. Spielt das denn eine Rolle? ... Hör mal, wenn du nicht mitkommen willst, dann lass es eben«,
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