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Marsha Mellow

Marsha Mellow

Titel: Marsha Mellow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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weil es mir widerstrebt, zurück an die Arbeit zu gehen - wo Lewis nur darauf wartet, mich auflaufen zu lassen, und Deedee mich zynisch angrinst und Julie mir von ihrem Sexleben mit Promis berichtet, ganz zu schweigen von den drohenden Telefonanrufen einer wütenden Lisa oder, schlimmer noch, einer überdrehten Mary. Dennoch kann ich nicht ewig in diesem Bistro bleiben. Ich lege etwas Geld auf den Tisch und ziehe mir meinen Mantel über.
    Draußen auf der Wardour Street höre ich ein Handy klingeln. Es dauert einen Moment, bis mir klar wird, dass es meins ist. Die Einzige, die mich auf diesem Handy anruft, ist Lisa - was etwas mit dem Umstand zu tun haben könnte, dass ich sonst niemandem die Nummer gegeben habe. Ich frage mich, was sie wohl von mir will, allerdings nicht lange - klarer Fall, sie will mich umbringen. Ich ziehe das Handy aus meiner Tasche.
    »Hi, Lisa«, sage ich zur Begrüßung.
    »Ich bin es, Amy«, erwidert meine Mum.
    Woher zum Teufel hat sie meine Handynummer? Bestimmt von Lisa, sodass sich unweigerlich die Frage stellt, was zum Henker sie noch alles ausgeplaudert hat.
    »Mum, hi. Alles okay?«, frage ich, während ich gegen mein Panikgefühl ankämpfe.
    »Nein, nichts ist okay. Der gestrige Tag war ein Albtraum.«
    »Ich weiß ... Lisas Offenbarung. Ein echter Schock.«
    »Ach, das. Hast du mit deinem Vater gesprochen?«
    »Ja, wir hatten eine längere Unterhaltung.«
    Glauben Sie mir, ein Fünf-Minuten-Gespräch mit meinem Vater in seiner Werkstatt darf man getrost als »längere Unterhaltung« bezeichnen.
    »Und?«
    »Mum, er geht nicht fremd. Ganz ehrlich.«
    »Hast du ihn das gefragt?«
    »Nicht direkt... Aber ich weiß es einfach. Er ist momentan wirklich stark eingespannt. Er hat mir diese erstaunlichen Farbbügel...«
    »Heute Morgen hat er Aftershave aufgetragen, bevor er das Haus verlassen hat.«
    »Und?«
    »Er benutzt nie Aftershave. Und er ist nach Birmingham gefahren. Um sich neue Maschinen für die Firma anzuschauen - behauptet er jedenfalls.«
    »Mum, eine Reise nach Birmingham ist noch lange kein Beweis, dass er fremdgeht. Vielleicht ist es ja tatsächlich geschäftlich.«
    »Ich kenne deinen Vater, Amy. Da ist irgendetwas im Busch.«
    »Ich kenne ihn ebenfalls, Mum. Du musst endlich begreifen, dass er nicht fremd ...«
    Ich verstumme abrupt, weil ich durch die Scheibe einer Kneipe etwas gesehen habe, was mir das Weitersprechen unmöglich macht.
    »Hallo ... Amy, hallo?«
    »Ich muss jetzt auflegen, Mum«, bringe ich heraus. »Ich bin gerade mitten in einer Besprechung.«
    »Das ist gelogen. Ich kann doch Verkehrslärm im Hinterg...«
    »Ich ruf dich später zurück. Bis dann.«
    Ich klappe das Handy zu und spähe durch das Schaufenster.
    Was zum Teufel macht Dad in Soho? Erstens sollte er in Birmingham sein. Und zweitens bezweifle ich stark, dass er Soho jemals auf einem Stadtplan finden würde.
    Und was noch wichtiger ist, was hat er in einer angesagten Bar namens ... ich sehe zu dem Schild hoch ... Cuba Libre zu suchen?
    In Begleitung einer jungen Frau, die meine ältere Schwester sein könnte?
    Die beiden sitzen an einem Tisch und sind in eine angeregte Unterhaltung vertieft - mein Vater unterhält sich angeregt?! Angestrengt spähe ich in das Halbdunkel. Sie ist blond - was auch sonst - und ziemlich hübsch ... eine von der Geliebte-zerstört-rücksichtslos-eine-Familie-Sorte. Keine Ahnung, weshalb mir das auffällt, aber sie trägt hochhackige Riemchensandaletten, die ihre kirschroten Zehennägel zeigen. Dad hat seinen besten Anzug an - den er sonst nur zu Hochzeiten, Beerdigungen und Parteisitzungen der Torys trägt -, und ich kann sein Old Spy fast riechen.
    Mir ist ganz übel. Nichts wie weg, denke ich, mache auf dem Absatz kehrt und laufe los. So schnell bin ich zuletzt beim Staffellauf in der zehnten Klasse gerannt. Aber das hier ist weitaus grausamer - damals in der Zehnten hatte ich immerhin den Vorteil, einen Sport-BH zu tragen. Als ich außer Atem um eine Ecke biege, pralle ich gegen eine ein Meter achtzig hohe Wand aus Fleisch, gekleidet in Schwarz. Als Nächstes wird mir bewusst, dass ich rücklings auf dem Gehweg liege.
    »Amy?«, sagt eine vertraute Stimme.
    Ich hebe den Kopf und sehe ...
    Ich habe mir mein ganzes verdammtes Leben lang Geschichten von anderen anhören müssen, die mit den Worten begannen: »Du ahnst ja nicht, wer mir heute im West End zufällig über den Weg gelaufen ist.« Anfangs vernahm ich mit Erstaunen, dass sich in dieser Millionenstadt

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