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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Holt
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richte ihm aus, dass Sie hier sind.«
    Ein paar Minuten später wurde er in das Büro des Psychiaters geführt. »Schön, Sie kennenzulernen, Daniele«, sagte Pater Uriel und schüttelte ihm lächelnd die Hand. »Wie ich hörte, hätten Sie gern ein zweites Gutachten von mir, was Ihren Gesundheitszustand betrifft, für das Gericht. Ich wäre nur zu gern bereit, Ihnen zu helfen, aber ich sollte Sie wohl darauf hinweisen, dass dies nicht zu meinem üblichen Kompetenzbereich zählt.«
    »Ich bin da auf einen Text gestoßen, den Sie vor einigen Jahren veröffentlicht haben«, erwiderte Daniele. »Soweit ich mich erinnere, haben Sie darin einen Zusammenhang zwischen der Behandlung von Menschen mit einer Sozialphobie und gewissen psychischen Erkrankungen hergestellt.«
    Pater Uriel nickte. »Ja, ich erinnere mich. Aber es überrascht mich, dass Sie darüber gestolpert sind. Das Fachblatt, in dem der Text publiziert wurde, hatte nur eine sehr begrenzte Auflage.«
    »Sie haben darin einen Begriff verwendet, der mich neugierig gemacht hat. Oder vielmehr die Suchmaschine, die ich benutzt habe. Libidinal Frenzy. Libidorausch.«
    »Ja?« Pater Uriel zuckte mit den Schultern. »Tja, kann schon sein. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung von Freuds Gedanken zur Massenpsychologie und dem Ego …«
    »Ich weiß, worauf der Begriff sich bezieht, Pater Uriel. Oder sollte ich Sie besser Dr. Doherty nennen, Dr. Paul Doherty?«
    Pater Uriel erwiderte nichts, doch seine Augen verengten sich kaum merklich.
    »Ich habe alte Internet-Caches nach genau diesem Begriff durchsucht«, sagte Daniele. »Schließlich handelt es sich um eine recht ungewöhnliche Wortkombination … Ich stieß auf den ursprünglichen Forschungsbericht von Dr. Doherty, der vor mehr als zehn Jahren umfassend aus dem Web entfernt worden war. Und dann fand ich noch eine kurze Erwähnung in einem Artikel von Pater Uriel, datiert auf fünf Jahre später. Sie hatten den Titel MRCP sych hinter Ihrem Namen stehen, was darauf hindeutet, dass Sie ein Mitglied des Royal College of Psychiatrists in Großbritannien sind. Ich habe das überprüft – in den Aufzeichnungen des Colleges fand sich keinerlei Hinweis auf einen Pater Uriel. Dafür gab es Unterlagen zu einem Dr. Paul Doherty. Dann fiel mir wieder ein, dass Priester oft einen neuen Namen annehmen, wenn sie ihre Ordination empfangen – einen Namen, der ihnen persönlich etwas bedeutet, von einem Heiligen oder einer biblischen Gestalt, die sie inspiriert hat. So wie Uriel. Über den habe ich ebenfalls Recherchen angestellt. Er war ursprünglich bekannt als der Schutzheilige der Buße. Doch kennt man ihn heute eher als den Erzengel, der als Wächter am Tor zum Garten Eden steht mit einem brennenden Schwert.«
    »›Der Engel, der über Donner und Schrecken wacht‹«, zitierte der Priester ganz ruhig.
    »Ich bin nicht wegen einer Einschätzung meiner Persönlichkeit hier, Pater. Vielmehr erhoffe ich mir eine Erklärung von Ihnen. Ich würde gerne mehr über eine Konferenz erfahren, die im Camp Ederle abgehalten wurde. Operation William Baker.«
    »Seit Jahren schon lebe ich mit der Angst, jemand könnte mir genau diese Frage stellen«, sagte Pater Uriel leise. »Ich muss zugeben, nach all der Zeit hoffte ich, dass dies niemals geschehen würde.« Er seufzte. »Sie müssen wissen, ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatten. Es war kurz nachdem ich den Text veröffentlicht hatte, den Sie erwähnten, den über Genozide. Sie müssen verstehen, ich habe das alles nur als eine Art Warnung verstanden. Eine sachliche Analyse der psychologischen Faktoren, die in augenscheinlich stabilen Gesellschaften dazu führen, dass schlagartig die schrecklichsten Gewalttaten begangen werden. Nazideutschland, Ruanda, Kambodscha, Nordirland, Kurdistan, Osttimor … So viele Tragödien, und doch hat kaum je einer es gewagt, sich diese Ereignisse völlig unvoreingenommen anzusehen und nachzuforschen, was genau geschehen war und weshalb.«
    Er begab sich ans Fenster und blickte hinaus. »Mir wurde klar, dass all diesen Situationen gewisse Faktoren gemeinsam waren – Zeichen, die auf eine Gefahr hindeuteten, wenn Sie so wollen. Ich war der Überzeugung, dass man, so wie ein erfahrener Psychiater, fähig sein sollte, bei einem Patienten eine Psychose zu diagnostizieren, ehe er jemandem schaden kann, auch an einer Bevölkerung eine solche Psychose diagnostizieren und verhindern können müsste. Ohne mich selbst loben zu wollen, war das eine

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