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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Holt
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Italien.
    Und?
    Verzeihen Sie, ich sitze hier in einem Internetcafé, während ich dies hier tippe. Ich werde gelegentlich unterbrochen, wenn jemand in meine Nähe kommt. Sie kam bis zu einer der Inseln in der Lagune Venedigs – Poveglia. Dort wurde sie bereits von einer Delegation von Klerikern erwartet. Als sie sich weigerte abzudanken, brachte man sie in eine nahe gelegene Irrenanstalt, wo sie für den Rest ihres Lebens eingesperrt blieb.
    Das alte Klinikgebäude auf Poveglia? Dort hielt man sie gefangen?
    Genau. Sie hatte keinerlei Rechte mehr, keinen Reisepass. So gut wie niemand im Westen wusste überhaupt etwas von ihrer Existenz. Sie war nichts weiter als eine Unannehmlichkeit. Da kam es ihnen allen recht gelegen, so zu tun, als wäre sie geistesgestört. Irgendwann starb sie dort, völlig vergessen von der Außenwelt. Doch für uns ist sie eine Märtyrerin; vielleicht spricht man sie eines Tages sogar noch heilig.
    Können Sie erklären, weshalb eine Priesterin dort heute eine Messe abhalten wollen könnte?
    Selbstverständlich. Für uns ist der Ort, an dem sie gefangen gehalten wurde, zu einer Art Pilgerort geworden. Die Priesterin hat ziemlich sicher eine Missa pro defunctis gesprochen, eine Messe für den Seelenfrieden von Martina Duvnjak.
    »Und Carnivia?«, flüsterte Piola leise.
    Eine andere Frau, eine Bekannte der Priesterin, von der ich sprach, war häufig auf Carnivia zugegen. Haben Sie eine Vorstellung, was sie dort gesucht haben könnte?
    Vielleicht war sie ja ein Teil unserer Gemeinschaft.
    Gemeinschaft?
    Wir sind nicht viele an der Zahl. Man findet uns überall auf der Welt. Die meisten von uns sind natürlich in der globalen Bewegung aktiv, deren Ziel es ist, den Vatikan zu einer Legitimierung der weiblichen Priesterweihe zu bringen. Doch selbst innerhalb der Reihen der Aktivistinnen müssen wir umsichtig sein. Für die Außenwelt sind wir Ministrantinnen, Mesnerinnen … Doch hier in der Welt von Carnivia können wir die Last der Geheimhaltung ablegen.
    Wollen Sie damit sagen, dass Sie auf diese Weise miteinander kommunizieren? Über private Chats, so wie wir es tun?
    Nein, es geht um viel mehr als das. Auf diese Weise kommunizieren wir mit Gott.
    Tut mir leid, aber das müssen Sie mir erklären.
    Kommen Sie mit mir. Ich zeige es Ihnen.
    Domino67980 machte kehrt und führte Kat in eine Kirche direkt neben dem Hauptquartier der Carabinieri, in die Kirche San Zaccaria. Es handelte sich um einen Stilmix aus Gotik und Renaissance aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Soweit Kat sich erinnerte, war sie eine der schönsten Kirchen Venedigs. Doch aufgrund des Überangebots an prunkvollen Gebäuden in der Stadt verirrte sich so gut wie nie ein Tourist in ihr Inneres.
    Die Replik in der Welt von Carnivia war identisch, bis auf ein Detail. Das Kirchenschiff, das sie jetzt betrat, war zum Bersten voll. Maskierte Gestalten blickten in Richtung Altar, vor dem eine Person in Priesterrobe einen goldenen Kelch in die Höhe hielt. Die Luft war erfüllt von herrlichen Gesängen – ein reiner Frauenchor, als hätten die mit Avataren gefüllten Reihen unisono ein Lied angestimmt.
    So begehen wir den Gottesdienst.
    »Aber klar doch«, hauchte Kat. Sie ließ die Finger über die Tastatur tanzen.
    Und das hier ist rechtskräftig? Theologisch gesehen, meine ich?
    Sicher. Unter uns finden sich einige der angesehensten Theologen weltweit. Man ist sich darin einig, dass eine hier abgehaltene Messe nicht minder »real« ist als jede andere. Der Heilige Geist ist etwas Universelles. Solange irgendwo einer der Teilnehmer eine echte Hostie und echten Wein in der Hand hält, welche zum Körper und Blut Christi werden.
    Das ist ja genial.
    Der Vatikan wird nicht begeistert sein, wenn man dort davon erfährt.
    Weshalb?
    Überlegen Sie doch mal. Hier in dieser virtuellen Welt kennt man nur dann das Geschlecht einer anderen Person, wenn sie es einem verrät. Wenn eine Frau einen männlichen Avatar annimmt, bedeutet das dann, dass sie die Messe völlig legitim begehen kann? Das würde ja sämtliche Regeln der Kirche ad absurdum führen.
    Denken Sie, Ihnen droht Gefahr von dieser Seite?
    Lebensgefahr? Ich bezweifle es, nicht vom Vatikan. Vergessen Sie nicht, dass es in Zeiten der Inquisition nie der Vatikan selbst war, der Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Es waren die Zivilbehörden, denen man sie auslieferte. Tatsächlich war es üblich, dass die Kirche ein formelles, wenn auch nicht ernst gemeintes Gnadenersuch stellte,

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