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Martha Argerich

Martha Argerich

Titel: Martha Argerich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bellamy
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Solisten und Dirigenten gingen auf Tournee nach Südamerika und verbrachten bis zu einem Monat in der argentinischen Hauptstadt. Martha gehörte zu der Gruppe junger Pianisten, die bei den Proben dabei sein durften. Bei den zwölf Konzerten, die Arthur Rubinstein in Buenos Aires gab, zweimal wöchentlich und mit drei verschiedenen Programmen, fand sich genug Gelegenheit, ihm zu begegnen. Friedrich Gulda war gekommen, um sämtliche Beethoven-Sonaten aufzuführen. Und Walter Gieseking trat mit Ravel und Debussy auf und gab Meisterkurse im Norden des Landes.
    Für Juanita war das die Chance, ihre Tochter den berühmten Pianisten auf der Durchreise zu präsentieren. Um einen Vorstellungstermin zu erhalten, musste man sehr hartnäckig sein, denn natürlich werden Solisten damals wie heute überrannt von Leuten, die alle überzeugt davon sind, ein Wunderkind zu Hause zu haben. »Ich habe noch keinen einzigen kleinen Mozart kennengelernt«, sagte einmal der Geiger David Oistrach, »aber jede Menge Erzeuger von kleinen Mozarts.« Wenn es darum ging, ihren Willen durchzusetzen und ihr Ziel zu erreichen, hatte Juanita vor nichts und niemandem Angst. Sie drang hemmungslos in fremde Garderoben ein, suchte die Künstler in ihren Hotels auf, passte sie auf der Straße ab. Für Martha war es eine Qual, jemandem vorzuspielen, der ganz offensichtlich keine Lust hatte zuzuhören. Glücklicherweise wich in allen Fällen das aufgesetzte höfliche Lächeln schon nach wenigen Takten einem kaum verhohlenen Interesse. Am 19. September 1952 schrieb Walter Gieseking (auf Französisch) in das Autogrammheft der Pianistin: »Der kleinen María Martha Argerich die allerbesten Wünsche für ihre Fortschritte am Klavier«. Seine Darbietung hatte eine große Wirkung bei ihr hinterlassen. Von Teilen des Publikums wegen seiner Nazivergangenheit ausgebuht, kaum dass er die Bühne betrat, huldigte man ihm am Ende des Konzerts in einhelliger Begeisterung. Giesekings Ton galt damals als einer der schönsten überhaupt. Elisabeth Schwarzkopf, die das Glück hatte, ihn als Begleiter für eine ihrer Aufnahmen von Mozart-Arien zu gewinnen, erzählte, dass sie bei seinem Vorspiel zu »Das Veilchen« plötzlich von der Angst gepackt wurde, es mit der Schönheit seines Klangs nicht aufnehmen zu können. In Lyon geboren und aufgewachsen, wurde Gieseking vor allem für seine Interpretation der Werke Debussys gefeiert, für die unvergessliche Eleganz seines Spiels. Nach dem Konzert schleppte Juanita Martha in seine Garderobe, damit er sie anhörte. Martha spielte zunächst das Finale einer Beethoven-Sonate, bis der Deutsche, dem ihr Widerstreben nicht unbemerkt geblieben war, zu Juanita sagte: »So lassen Sie das Mädchen doch in Ruhe!« Martha war tief berührt von seinen Worten, geradezu dankbar. Endlich einmal jemand, der sie verstand! Walter Gieseking blieb einer ihrer bevorzugten Künstler.
    Ebenfalls in jenem Autogrammheft ist eine Sympathiebekundung von Stefan Askenase (11. Juli 1953), dem polnischen Chopin-Interpreten, zu finden, der später eine wichtige Rolle in Martha Argerichs Karriere spielen sollte, indem er mit ihr zusammen den Chopin-Wettbewerb vorbereitete. Auch der Dirigent Igor Markevitch, die Pianistin Marie-Thérèse Fourneau, die Geiger Dino Francescatti und Joseph Szigeti hinterließen ihre Widmungen und Unterschriften in dem Heftchen. Auf der vierten Seite, zwischen Francescatti und Gieseking, ist zu lesen: » Per Martha Argerich con todo my carino.« Unterzeichnet von … María Martha Argerich. Sie hatte eben schon mit elf Jahren einen ausgeprägten Humor! »Ich freue mich sehr auf ein Wiederhören«, hatte Szigeti auf Französisch geschrieben. Der einstige Partner von Béla Bartók war verzückt vom Talent seiner jungen Kollegin. Der große ungarische Geiger und die junge argentinische Pianistin hatten zusammen bei Señor Rosenthal an einem jener legendären Freitagnachmittage musiziert. Im Flugzeug, das ihn zurück nach Europa brachte, schrieb Szigeti einen Brief an Martha, um ihr noch einmal seine Freude am gemeinsamen Spiel zu bezeugen. Dieser Beweis seiner Hochachtung und Zuneigung traf sie mitten ins Herz.
    Von den zahlreichen Pianisten, die sie in Buenos Aires gehört hatte, verehrte Martha Argerich vor allem Wilhelm Backhaus, den wohl klassischsten und apodiktischsten unter den deutschen Klaviervirtuosen. Seine absolute Texttreue bewahrte ihn vor all den Freiheiten, die sich die anderen Kollegen so gern herausnahmen. Seine wie in

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