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Martha Argerich

Martha Argerich

Titel: Martha Argerich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bellamy
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Er hat in der CD -Reihe Martha Argerich Presents bei EMI ein wunderschönes Recital herausgebracht.
    Kurz nach seiner Brüsseler Demütigung gewann Nelson Freire beim Internationalen Wettbewerb Vianna da Motta in Portugal den ersten Preis, was seine Karriere endlich in Schwung brachte. Martha stand auch auf der Teilnehmerliste, weil ihre Mutter sie eingeschrieben hatte, doch dieses Mal ging die argentinische Pianistin gar nicht erst hin. Ihre Gedanken waren auf Warschau gerichtet, denn Stefan Askenase, mit dem sie freundschaftlich verbunden war, hatte sie dazu überredet, am Chopin-Wettbewerb teilzunehmen, der im Februar 1965 beginnen sollte.
    Am 7. September 1964, auf den Tag genau ein Jahr nach ihrer Hochzeit, traf Robert Chen am Flughafen von Genf ein. Er hatte sich mit den amerikanischen Behörden arrangiert und ein Touristenvisum für die Schweiz bekommen. Martha hatte ihm jede Menge zärtliche Briefe geschrieben, und er brannte darauf, seine Tochter endlich kennenzulernen. Mit fünf Monaten befand sich die kleine Lyda noch immer unter Beobachtung in der Spezialklinik für gesundheitsgefährdete Kleinkinder. Während ihre Mutter in Brüssel wieder auf den Geschmack des Klavierspiels gekommen war, wachte Großmutter Juanita strengen Auges über die Entwicklung der Kleinen und das Erzieherteam. Sie empfing ihren Schwiegersohn ohne jede Herzlichkeit, und es dauerte nicht lange, bis es in ihrem Verhältnis zu einem ernsthaften Zerwürfnis kam. Von Juanita angefeindet, weil er sein Kind zweimal am Tag besuchte, verlangte Robert Chen von Martha, zwischen ihm und Juanita zu vermitteln. Doch die Pianistin, die Angst vor einem Streit mit ihrer Mutter hatte, wollte nicht Position beziehen. Im Dezember war sie noch immer nicht aus Brüssel gekommen, um Lyda wiederzusehen, die inzwischen acht Monate alt war. Von Juanitas Machtwillen und ihrer unverhohlenen Verachtung ihm gegenüber an den Rand der Verzweiflung gebracht, setzte Robert alle Hebel in Bewegung, das alleinige Sorgerecht für seine Tochter zu erhalten. Martha brachte Verständnis für seine Haltung auf, doch weil sie sich zwischen den Fronten befand, fühlte sie sich nicht in der Lage zu intervenieren. »Du benimmst dich wie Pontius Pilatus!«, warf ihr Mann ihr am Telefon vor. Kaum hatte Juanita von der Absicht ihres Schwiegersohnes erfahren, begab sie sich in die Einrichtung und nahm, ohne das Misstrauen der Erzieher zu erregen, ihre Enkelin mit nach Hause. Mit dem Baby machte sie sich umgehend auf den Weg nach Brüssel zu Martha. Auch die Zollbeamten schöpften keinen Verdacht. Robert blieb nichts anderes übrig, als die Justiz zu bemühen und die Scheidung zu beantragen. Gegen Juanita wurde seitens der Schweizer Polizeibehörden ein Verfahren wegen Kindesentführung eingeleitet. Wenige Monate später klingelte Interpol an der Haustür der Villa-Lobos’, um die Herausgabe von Lyda zu verlangen und sie zurück in die Genfer Einrichtung zu bringen. Ein paar Wochen danach gelang es Juanita erneut, ihre Enkelin aus der Krippe zu entführen. Diesmal wurde sie jedoch am Münchner Flughafen von der deutschen Polizei abgefangen. Als Angehörige des diplomatischen Dienstes blieb ihr eine Gefängnisstrafe erspart, Martha indes verlor sämtliche sorgerechtlichen Befugnisse bezüglich ihrer Tochter. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens wurde ihr sogar das Besuchsrecht entzogen. Robert, unter dessen Sorgerecht das Kind nun stand, bekam somit automatisch einen Schweizer Pass, doch weil seine berufliche Situation instabil blieb, wurde ihm die Personensorge verwehrt. Am Abend der Urteilsverkündung rief Martha bei ihm an: »Können wir trotzdem Freunde bleiben?« Er knallte wortlos den Hörer auf die Gabel.
    Unter die Vormundschaft des Schweizer Staates gestellt, wurde Lyda bei einer Bekannten des Familienrichters untergebracht, die Robert ein Zimmer vermietete, sodass Vater und Tochter unter demselben Dach leben konnten. Im Alter von fünf Jahren wurde Lyda den Schwestern Seidel anvertraut, drei freundlichen Genfer Calvinistinnen der besseren Gesellschaft,
die ihr das Lesen beibrachten. Sie erinnert sich, einmal eine Schachtel mit bunten Kreidestiften von ihnen überreicht bekommen zu haben, ein Geschenk von einer Mutter, die sie nicht kannte und über die der Vater nie ein einziges Wort verlor.
    Den richterlichen Urteilsspruch im Rücken, verweigerte Robert Chen Martha jeglichen Kontakt zu ihrer Tochter. Eines Tages jedoch ließ er sich erweichen und brachte das Mädchen zu

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