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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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Gesicht erhellte sich. »Ach, Sie sind’s. Hat Ihnen unser Whisky geschmeckt?«
    »Das kann man wohl sagen«, meinte Bernd. Er wirkte immer noch leicht durcheinander.
    »Wieso bist du denn hier und nicht in der Destillerie?«, fragte Karen.
    Das Mädchen zwinkerte. »Ich bin überall«, sagte es mit geheimnisvoller Stimme.
    »Wir auch«, konterte Karen prompt.
    Das Mädchen lachte, wenn auch mit leichter Verspätung. »Nee, ich hab nur zwei Sommerjobs. Du weißt ja, wie das ist.« Letzteres war an jemanden hinter Karen gerichtet. Sie drehte sich um. Mark stand mit einem Gesichtsausdruck da, den Karen das letzte Mal vor einer halben Ewigkeit an ihm gesehen hatte. Als endlich das heißersehnte Mountainbike unter dem Weihnachtsbaum gestanden hatte. Sein Handy steckte in der Hosentasche und vibrierte vor sich hin.
    »Klar«, krächzte er. »Sommerjob, alles klar. Kenn ich.« Mark hatte noch nie einen Sommerjob gehabt. Er zog das Handy heraus und hielt sich mit beiden Händen daran fest.
    »Fotografieren im Haus ist nicht«, sagte das Mädchen und deutete auf Marks Handy. »Nur im Garten.«
    »Klar. Ist total klar.« Mark starrte weiter.
    »Vier Erwachsene, ein Kind?«, erkundigte sich das Mädchen geschäftsmäßig.
    »Na, eigentlich zwei Ki…« Weiter kam Karen nicht. Mark warf ihr einen flehenden Blick zu. »Vier Erwachsene, ein Kind«, bestätigte sie daher und zog amüsiert die Augenbrauen hoch.
    »Im Garten können Sie alles angucken, den Irrgarten auch, allerdings fehlt da eine Hecke, davon dürfen Sie sich nicht verwirren lassen, die ist abgestorben. Unten im Haus können Sie das Jagdzimmer und die Ahnengalerie sehen. Alle anderen Räume sind privat. Wollen Sie überhaupt ins Haus?«
    »Natürlich«, erwiderte Martha. Ihre Augen kreisten unablässig durch die Gegend.
    »Wollen Sie echt ins Jagdzimmer?« Das Mädchen klang ungläubig, als ob ein Besuch des Jagdzimmers das Allerletzte war, das jemandem in den Sinn kommen konnte. »Im Garten ist es jetzt viel schöner.« Offenbar verspürte sie wenig Lust, die Besucher in das dunkle, kühle Innere des Hauses zu begleiten. Sie deutete auf den Rasen, wie auf Befehl drehten sich alle um. Zwei Wolken trennten sich, Sonnenstrahlen schossen gleißend durch die Lücke und blendeten die Thiemes. Karen kniff die Augen zusammen, Bernd trat einen Schritt zur Seite, Martha setzte ihre Sonnenbrille auf. Karen fuhr zusammen. Das durfte doch nicht wahr sein. Diese große Sonnenbrille auf dem schmalen Gesicht, das Kinn energisch vorgereckt, das hatte sie doch gestern schon mal gesehen.
    »Bernd«, sagte sie hastig, »das glaubst du nicht, was ich dir jetzt sage.«
    Bernd fotografierte gerade ein leicht ramponiertes halbrundes Gebäude auf der anderen Seite des Parks. »Was denn?«, fragte er abwesend. »Sind das die ehemaligen Ställe dahinten?«
    »Wir wollen lieber ins Haus.« Martha drehte sich um und lief Richtung Eingang, gefolgt von dem seufzenden Mädchen und einem hingerissenen Mark.
    Karen heftete ihren Blick auf ihre Großtante. Es war unglaublich. Es konnte nicht wahr sein. Oder? »Bernd, hör doch mal zu.«
    »Jetzt nicht, komm.« Bernd lief den anderen einfach hinterher.
    »Hör doch mal zu. Es ist mir eben erst eingefallen beziehungsweise aufgefallen. Diese Fotos da gestern in der Destillerie.« Sie stiegen die Steintreppe hoch, traten durch die imposanten Türen und standen alsbald in einer großen düsteren Halle, deren Wände mit alten Bildern dekoriert waren. Alles stolze Schotten, ähnlich gekleidet wie der Mann mit königlichem Blut in den Adern, den Karen gestern Abend beinahe von der Wand gerissen hätte. Es roch nach Möbelpolitur und leicht süßlich nach den verblühenden Gladiolen in einer Bodenvase.
    Karen zupfte Bernd am Ärmel seines Poloshirts. »Auf einem der Fotos war Martha zu sehen, ich schwöre es dir.«
    »Scht«, machte Bernd. Das Mädchen hatte angefangen, ihren auswendig gelernten Monolog zu halten. »Rechter Hand sehen Sie ein Gemälde von 1862 . Es zeigt den ersten Besitzer von Glen Manor, einen gewissen William Mac…«
    »Natürlich nicht so, wie sie jetzt aussieht, sondern als junge Frau«, flüsterte Karen. »Ich hab sie eben an ihrer Sonnenbrille erkannt.«
    »Was? Was redest du denn da? Hör doch der Kleinen mal zu, die gibt sich solche Mühe.«
    »… verheiratet mit Anne MacNeish im Jahr 1868 , was zur Vereinigung der Besitztümer führte und den Bau von Glen Manor ermöglichte.« Das Mädchen brach auf einmal ab. »Wo wollen Sie

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