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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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doch die Förmlichkeiten. Das ist John und nicht der Herr MacGregor.« Martha stellte ihre Tasse ab. »Aber gut, dass du mich erinnerst, Bernd. Ich habe John ja was Schönes mitgebracht.« Sie kicherte leise.
    »Soll ich das Ding aus dem Auto holen?«, bot Mark an. »Wenn mir Lindsey vielleicht dabei hilft?«
    »Lindsey, du kannst eigentlich nach Hause gehen«, mischte John sich ein. »Heute werden keine Führungen mehr gemacht. Sag deiner Oma, sie soll bitte später noch vorbeikommen.«
    »Ich bleibe gern«, kam es wie aus der Pistole geschossen von Lindsey. »Ich will auch sehen, was die mitgebracht haben.« Sie folgte Mark, der auf einmal stehen blieb, einen Schritt zurücktrat und eine kurze, schnelle Handbewegung machte.
    Im ersten Moment glaubte Karen, dass er sich weh getan hätte. Weit gefehlt.
    » Ladies first «, stotterte Mark. Er vermied es, Lindsey dabei anzusehen. Die ging hoheitsvoll an ihm vorbei.
    Karen traute ihren Ohren nicht.
    »Deine Enkelin?«, fragte Martha, als die beiden verschwunden waren.
    Karen spürte, dass die eigentliche Frage, die Martha stellte, die nach der möglichen Existenz von Johns Frau war.
    Er schüttelte den Kopf. »Die Enkelin meiner Haushälterin, Mrs Warnock. Du weißt ja. Ich konnte nie sonderlich gut mit Frauen umgehen.«
    »Nein.« Martha nickte zustimmend. »Das konntest du wahrlich nie.« Sie lehnte sich zurück. »Deswegen habe ich es auch irgendwann nicht mehr mit dir ausgehalten.«
    John setzte an, um etwas zu seiner Verteidigung hervorzubringen, ließ es dann aber bleiben. Niemand sagte etwas.
    Nach einer Weile räusperte sich Bernd. Er rückte mit seinem Stuhl ein Stück zur Wand und strich mit dem Finger prüfend über das Holz. »Wann genau wurde das Haus gebaut? Ist das Eiche? Ich bin nämlich vom Bau«, unterbrach er schließlich das Schweigen. Dabei hatte Lindsey ihm doch erst vor kurzer Zeit alles nur Wissenswerte über das Haus heruntergeleiert.
    » 1870 haben sie damit angefangen. Fast zehn Jahre hat es gedauert, bis sie endlich fertig waren. Damals ging das ja nicht so flott. Aber das Resultat war großartig. Ganz großartig. Einzigartig.« Bei den letzten Worten war Johns Blick wieder in Richtung Martha gewandert.
    Karen hielt es nicht mehr aus. Das war ja alles schön und gut, und sie wollte sich irgendwann gern mit der Architektur von Glen Manor befassen, aber jetzt gab es Wichtigeres. Sie setzte sich kerzengerade hin. »Martha?« Und dann stellte Karen die Frage, deren Antwort sie bereits ahnte und die sie doch wie aus einem Zwang heraus noch mal aus Marthas Mund bestätigt bekommen musste. »Sagt mal, wart ihr mal … zusammen oder so was?«
    John MacGregor sah immer noch zu Martha hinüber. Er nickte. Seine Stimme war gefasst, aber die Tasse in seiner Hand zitterte. »Ja, das waren wir. Sie war immer meine Meerjungfrau, weil ich sie im Wasser gefunden habe.«
    »Und er hat sich als mein Rob Roy bezeichnet. Weil er mich gerettet hat. Angeblich.«
    »Aber, Martha, das hättest du uns doch alles sagen können. Wir hätten uns doch gefreut, einen alten …«, Karen warf Bernd einen hilfesuchenden Blick zu, »… Freund von dir zu besuchen.« Oder war Lover passender?
    »Ach ja? Und du hättest mir das geglaubt? Dass ich zurück in dieses Dorf will, weil die Liebe meines Lebens dort Whisky brennt, auf einem Landsitz wohnt und vom Clan der MacGregors abstammt?«
    Karen schwieg. Eine Antwort konnte sie sich sparen.
    Martha schraubte sich umständlich aus dem tiefen Sessel hoch und ging zu John. Von ihrer gestrigen Nervosität war nichts mehr zu bemerken. Sie blieb vor ihm stehen. »Nun lass dich doch endlich mal umarmen. Oder stehst du neuerdings nur noch auf ältere Frauen?«
    John stand ebenfalls auf. Er überragte Martha immer noch um mindestens zwei Köpfe. Vorsichtig zog er sie zu sich heran, fast, als ob er Angst hätte, sie könne kaputtgehen oder so überraschend wieder verschwinden, wie sie aufgetaucht war. Martha lehnte den Kopf an seine Brust. Eine Biene erschien vor dem gekippten Fenster, verharrte eine Sekunde lang summend in der Luft, flog beharrlich mehrmals gegen das Glas und entschied sich dann gegen ein Hereinkommen.
    Karen griff unwillkürlich nach Bernds Hand und drückte sie, so fest sie konnte, damit sie nicht anfing, vor Rührung zu heulen.
    »Au«, beschwerte Bernd sich leise.
    Ein Knall im Treppenhaus kündigte die Meerjungfrau an.

24 »Sie schläft.« Karen deckte Teresa vorsichtig zu. Diese lag in der Mitte des großen

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