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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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überrascht«, murmelte Bernd.
    »Lindsey«, schlug John MacGregor vor, »wie wäre es, wenn du uns allen eine feine Tasse Tee machen würdest? Nehmen Sie Milch und Zucker?« Das war an Karen und Bernd gerichtet.
    »Ja«, sagte Karen. »Ich meine, nein.« Zucker, Milch, Salz – das war doch völlig egal. Konnte jemand sie hier vielleicht mal aufklären? War Martha deshalb nicht mit in die Destillerie gekommen, weil sie das Zusammentreffen mit diesem Mann noch hinauszögern wollte? Woher kannte sie ihn? Und wieso war sie jetzt plötzlich Mermaid ? War das etwa noch ein Künstlername? Würden sie Martha als Nächstes dabei zusehen müssen, wie sie sich gefesselt aus einem überdimensionalen Aquarium befreite? Wie Houdini?
    »Vielleicht kann der junge Mann dir helfen, Lindsey?« John wandte sich an Martha. »Dein Enkel, Mermaid? Kommt dein Mann vielleicht auch noch die Treppen hochgekrochen?«
    Martha holte ein Erfrischungstuch heraus und wischte sich damit über den Hals. »Netter Versuch, John. Aber du weißt ja, dass mich nie einer haben wollte.«
    »Einer wollte dich schon«, antwortete John MacGregor. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Ich habe ihr das Leben gerettet«, erklärte John ihnen allen wenig später. Sie hatten im Salon Platz genommen und tranken starken, heißen Tee aus zarten Porzellantassen. Lindsey hatte der Einfachheit halber gleich jedem einen Schuss Milch und Zucker hineingekippt. Unter normalen Umständen hätte Karen nur unter Androhung von Einzelhaft Tee mit Milch getrunken, aber dies waren keine normalen Umstände. Sie hätte jetzt auch Bier oder Whisky oder Tomatensaft mit Milch getrunken.
    John schnupperte und kostete genüsslich einen Schluck des hellbraunen Gebräus. »Sie wäre ja sonst ertrunken, das arme Ding.«
    »Das ist eine unglaubliche Lüge«, wehrte sich Martha. »Ich war eine hervorragende Schwimmerin. Und ich wollte mich nur mal schnell im Fluss abkühlen, als dieser Irre – entschuldige bitte, John – plötzlich auftauchte und versuchte, mich aus dem Wasser zu ziehen.«
    »Ich habe geglaubt, du wolltest dich umbringen. Wer geht denn sonst im Kleid baden?« Er sah die Thiemes kopfschüttelnd an. »Das macht doch kein normaler Mensch.«
    »Ich wusste ja nicht, ob vielleicht irgendwo ein Perverser lauerte. Und wie es der Zufall so wollte, hatte ich ja auch recht. Wenn ich nackt gebadet hätte, wärst du bestimmt hinter deinem Baum sitzen geblieben, oder?«
    Karen verschluckte sich fast an ihrem Tee. Es fiel ihr schwer, sich Martha überhaupt im Fluss badend vorzustellen. Aber nackt? Sie schob den Gedanken rasch beiseite. Ihr Gehirn lief gerade auf Sparflamme, sie konnte sich gar nicht richtig konzentrieren. Es war alles zu ungeheuerlich. Da saßen sie an diesem Sommertag in diesem schottischen Landhaus und tranken mit dem Hausbesitzer höchstpersönlich quietschsüßen Tee, nachdem sie sich schon gestern Abend an seinem Whisky gütlich getan hatten. Und das alles, weil Martha, ihre verrückte Großtante Martha, vor Gott weiß wie vielen Jahren mal in einem Fluss hier in der Nähe gebadet hatte. Im Kleid. Und was hatte Martha damals hier verloren? War sie im Rahmen einer Zaubershow in ein kleines schottisches Dorf gekommen? Wohl kaum.
    »Deswegen habe ich sie Mermaid genannt. Die kleine Meerjungfrau. Sie war nur so eine halbe Portion. Ist sie ja immer noch«, erklärte John gerade.
    »Hast du etwa geglaubt, dass ich inzwischen fett geworden bin?« Martha setzte ihre Teetasse mit einem Klirren ab. Sie verschränkte die Arme.
    John beugte sich vor, um sie zu betrachten. »Natürlich. Ich hatte gehofft, du wärst so eine dicke deutsche Hausfrau geworden, die immer mit dem Schrubber herumwuselt und Sauerkraut kocht.«
    »Ach, deshalb die hölzerne Meerjungfrau.« Endlich war der Groschen auch bei Bernd gefallen. »Herr MacGregor sammelt wohl solche Figuren?« Bernd sah sich bewundernd um. Karen tat es ihm gleich. Der Raum, in dem sie sich befanden, war ein halbes Museum mit prachtvollen Möbelstücken, von denen kein einziges ins Wohnzimmer der Thiemes gepasst hätte und die wahrscheinlich ohnehin den dünnen Fußboden zu Wiemanns unten im zweiten Stock durchbrochen hätten. Geschnitzte Holzvertäfelungen verzierten die Wand auf der linken Seite, schwere Vorhänge hingen vor den hohen Fenstern, und ein dicker Teppich lag auf dem Fußboden. Ein großer Kamin bedeckte die halbe Wand auf der rechten Seite. Man hätte einen kleinen Elefanten darin rösten können.
    »Lass

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