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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Positives. Es will sich hier eine Partei breit machen, die sich auf eine einzige Idee stützt, nämlich die Idee einer Rassenverfolgung.«
    »Na ja – um auch positiv zu reden – Sie meinen die Antisemiten.«
    »Ja. Ich weiß, daß diese Partei, oder vielmehr diese Gesinnung sich verbreitet und bis in die hohen und höchsten Kreise heraufdringt, aber sozusagen incognito – während die Wortführer, die da offen diese Gesinnung als ein politisches Programm ins Parlament bringen wollen, in ihren Reihen so bildungslose, oder sich absichtlich roh gebärdende Individuen haben ... Wenn man das gewähren läßt, so werden diese Leute in das parlamentarische und politische Leben einen so rohen Ton, ein so niedriges Geistesniveau einführen, daß dabei – abgesehen von der Verwerflichkeit des Verhetzungsprinzips überhaupt – sämtliche politische Fragen herabgedrückt werden. Wenn ich Ihnen sagen würde, was ich neulich aus dem Munde einiger neugewählter, von der Einwohnerschaft bejubelter Vertreter dieser Partei für Ausdrücke boshaftester, beschränktester Gemeinheit gehört habe – Sie würden schaudern.«
    »Ich weiß, ich weiß ... Sind ja einfache Vorstadtbürger – die reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist – im Abgeordnetenhaus werden sie schon den parlamentarischen Ton annehmen müssen ... und anderseits muß man bedenken, daß diese Wahlen doch einen Sieg über viel gefährlichere Kandidaten bedeuten. Von den Antisemiten weiß man doch, daß sie gläubige Christen sind und daß sie alles bekämpfen werden, was die Ultraliberalen und Sozialisten und dergleichen unternehmen wollten, um an den Säulen von Thron und Altar zu rütteln –«
    Rudolf wollte etwas sagen, aber mit beschwichtigender Handbewegung fuhr der Minister fort:
    »Mein Gott, ich selber habe ja nichts gegen die Juden ... bin ja, wie sie wissen, häufiger Gast bei unserer haute finance und kenne einige ganz ausgezeichnete Leute unter jüdischen Doktoren ... aber wie gesagt, die Antisemiten, deren Verfolgungsideen man ja durchaus nicht aufkommen zu lassen braucht – haben ihr Gutes. Und wenn man sie unterstützt, so geschieht das durchaus nicht, weil man ihre Ziele erreichen oder ihre Mittel anwenden will, sondern weil sie indirekt dazu beitragen, andre Gegner fernzuhalten.«
    »Sie geben also zu, daß jene Partei von oben protegiert wird? Gehört etwa Graf –« (er nannte Wegemanns Freund, den leitenden Staatsmann) »zu diesen Protektoren?«
    »Allerdings –«
    »Ich kenne ihn doch als einen vornehm denkenden Edelmann, als einen milden Christen, der unfähig wäre, solche Äußerungen zu indossieren, oder solche Gehässigkeit zu fühlen, wie die antisemitischen Wahl- und Hetzreden zu schüren trachten – und doch sollte er es opportun finden, diese Partei zu unterstützen?«
    »Mein Freund hat ein starkes katholisches Empfinden. Erst gestern sprachen wir über die überhandnehmende religiöse Gleichgültigkeit –«
    »Ich bemerke eher, daß die klerikalen Einflüsse überhandnehmen.«
    »In manchen Kreisen allerdings. Anderseits aber –«
    »Also, wie denkt Ihr Freund über die Sache?«
    »Er sagte – ich habe mir seine Worte genau gemerkt –: »Je mehr ich diese Fragen erwäge, desto fester und klarer wird meine Überzeugung, daß sie es ganz eigentlich sind, von deren Wendung die Zukunft der Geschicke Europas abhängt. Die Krisis, in der wir leben, liegt in dem Kampf der Revolution gegen die christlichen Ideen, auf denen seit mehr als tausend Jahren die staatliche Ordnung Europas und seine Zivilisation beruht. Siegen diese Ideen nicht, dann wird Europa zugrunde gehen und mit ihm die ganze Ordnung der Dinge. Dann folgt ein Chaos, das so lange dauern wird, bis die christlichen Ideen wieder, wie in den Zeiten Karls des Großen, allmählich die Geister gewinnen und wieder eine neue christliche Ordnung der Staaten und Völker herstellen – was aber weder wir noch unsere Kinder erleben werden. Wollen wir sie vor allen Gräueln der Anarchie und der Christenverfolgung bewahren, so müssen wir in Österreich dem Sturm wider die Kirche Widerstand leisten«.«
    Rudolf nickte vor sich hin.
    »Das stimmt zu meiner Auffassung,« sagte er. »Man sieht, man fühlt, daß all die Dogmen schwanken, von denen man glaubt, daß sie die Grundlagen der Zivilisation sind – (aber da möchte ich doch zwischen Klammern fragen, ob denn die heutigen Staaten wirklich nach christlichen Grundsätzen verfahren? ... ich wollte es wäre so, dann fielen

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