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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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mittlerweile Essenszeit geworden, und der Hunger ist stärker als die Liebe – namentlich als die Liebe zu einem geistanstrengenden Unternehmen.
    »Ich bin dabei,« sagte der Vorsitzende, »konstituieren wir unser Zensurkomitee das nächstemal und dann soll auch die finanzielle Frage endgültig gelöst werden. Und somit –« »Vor Schluß der Sitzung bitte ich noch ums Wort!« unterbrach Bresser mit erregter Stimme.
    Einige der Herren, die schon im Aufstehen begriffen, setzten sich wieder.
    »Also bitte, Herr Bresser,« sagte der Vorsitzende.
    »Ich wollte einfach meinen Austritt anmelden. Der Verlauf, den die heutigen Verhandlungen genommen haben, zeigt mir deutlich, daß unser ursprünglicher Plan ganz fallen gelassen wird. Was an dessen Stelle getreten, macht es mir unmöglich, mitzuhalten. Der Verlust wird für die anderen kein großer sein – ich habe ja kein Kapital und auch keinen berühmten Namen einzusetzen ... Nur Arbeitslust hätte ich mitgebracht und Begeisterung für gewisse Ideen. Die Arbeitslust ist verschwunden, denn gerade die Ideen, die in meinen Augen den Sinn und den Zweck des neuen Blattes abgaben, würden der neubeschlossenen Zensur zum Opfer fallen. Der Begriff Zensur an sich stößt schon alles um, was ich von diesem Blatt geträumt hatte. Wir sollen für die Freiheit wirken und selber nicht frei sein? Nun – heute besitze ich noch meine volle Freiheit, ich benutze sie, um – ich wiederhole es – mich von dem Unternehmen zurückzuziehen.«
    Sprach's, empfahl sich und ging.

VIII.
    Die Kapelle im Schloß Brunnhof war reich mit Grün und Blumen geschmückt. Die Glashäuser waren geplündert worden und hatten alle ihre Oleander- und Orangen- und Palmenbäume in Kübeln hergeben müssen, um den Hauptaltar zu umrahmen. Und an die hohen Wachskerzen, die in den silbernen Kirchenleuchtern brannten, waren weiße Schleifen, Rosen und Kamelien befestigt. Die Rosen, mit welchen man auch in reicher Fülle die Altarstufen bestreute, waren aus Wiener Blumenhandlungen geschickt, denn in Brunnhof – man schrieb den 12. November – blühten keine mehr. Vom Eingang der Kapelle bis zu den Betschemeln des Brautpaares lief ein roter Plüschteppich und auch die ersten Reihen der Kirchenbänke waren mit rotem Stoffe ausgeschlagen.
    Schon füllten sich die hinteren Bänke mit den Dorfbewohnern – in der nächsten Viertelstunde mußten die Herrschaften kommen. Die festgesetzte Stunde – elf Uhr – schlug eben von der Schloßuhr herab. In der Sakristei warteten, in vollem Ornat, der Prälat des benachbarten Stiftes, der unter der Assistenz des Pater Protus und dessen Kooperators die Trauung vollziehen sollte. Auf dem Chore saßen und standen die Musiker und Sänger bereit – tüchtige Kräfte aus Wien.
    Unterdessen hatten in einem Saale des Schlosses die Hochzeitsgäste sich versammelt. Es fehlten nur noch die Braut und ihre Mutter.
    Die ganze Gutsnachbarschaft war eingeladen worden und außerdem noch Verwandte aus Wien und von weiterher – im ganzen etwa sechzig bis siebzig Personen. Ein Schwarm junger Komtessen, Sylvias Ballgenossinnen der verflossenen Wintersaisons, unter ihnen die vier Brautjungfern in gleichen rosa Kleidern; – die Damen alle in lichten Toiletten, zwar hoch und mit geschlossenen Hütchen, aber dennoch mit Schleppe und Schmuck; die Herren in Galauniform oder Frack, die meisten mit Ordenskettchen im Knopfloch. Man stand in Gruppen umher und lebhaftes Stimmengewirr füllte den Raum.
    In einem Nebensaale, zu dem die Türen offen standen, waren die Brautgeschenke ausgestellt: zwei lange Tische voll Schmuckkapseln, silberne Toilette-, Tisch- und Teegarnituren, Vasen, Fächer, Spitzen, Lampen, Gürtelschnallen und Sonnenschirmgriffe aus Gold und Edelsteinen und sonstigen Kostbarkeiten. Alles das hatte die Gesellschaft schon vor einer Stunde bewundert; jetzt standen vor der gehäuften Pracht nur noch zwei der jungen Mädchen, und ein stiller Neid, gemildert durch die Hoffnung, daß die Zukunft ihnen ähnliches bescheren werde, erfüllte ihre eitlen Seelchen: – ach, solche schöne Dinge besitzen, solche Brillantsterne im Haar, solche Perlenschnüre um den Hals – aus solchen Kannen den Tee eingießen, im eigenen Salon; vor solchen Spiegeln sich frisieren lassen, »Frau« genannt werden, Pferd und Wagen besitzen, Loge in Oper und Burg, und – nebstbei – auch noch einen verliebten Mann: so wundervolle Dinge gibt es auf der Welt, und gerade so wie sie heute der Sylvia zugefallen, werden sie

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