Martha's Kinder
jenes Programmpunktes bin, so muß ich doch zu seiner Verteidigung und Begründung einige Argumente vorbringen.«
»Bringen Sie vor, was Sie wollen,« unterbrach der Baron, »ich gehe von meinem Entschluß nicht ab. Ein Blatt, das ostentativ erklärt, eine solche dumme Frage erörtern zu wollen, subventioniere ich nicht – ich nicht.«
Der Vorsitzende fiel ein: »Diese Kontroverse kann leicht behoben werden,« sagte er. »Ich bin ganz einverstanden, daß das Wort »Antisemitismus« in unserem Prospekt gestrichen werde. Gegen die Formel: »Bekämpfung aller rückschrittlichen Gesinnungen« haben Sie doch nichts einzuwenden, Herr Baron.«
»Nein.«
»Nun, damit ist auch Ihnen Satisfaktion gegeben, Herr Bresser, denn unter diesen Sammelnamen muß ja die mittelalterliche Bewegung auch fallen, die Sie bekämpfen wollen, und die, wenn sie fortfahren sollte, um sich zu greifen, natürlich in einer Tageszeitung auch besprochen werden müßte.«
»Ich bin's zufrieden,« sagte Bresser.
»Ich aber nicht,« versetzte Glasschild. »Je mehr die anderen den Unfug auffallend machen wollen, desto konsequenter müssen wir ihn totschweigen. Übrigens, in ein paar Monaten redet so niemand mehr davon.«
Einer der Reichsräte erbat sich das Wort.
»Da wir schon von den Bedenken sprechen, die das Programm unserer geplanten Zeitung erweckt, so kann ich nicht verhehlen, daß mir daran der Mangel einer strammen Parteiansicht sehr unangenehm auffällt. Wir sind einig geworden, daß wir auf Regierungssubvention verzichten. Gut. Wir werden auch keine Direktive von oben annehmen, wie mir uns zu dieser oder jener politischen Frage zu äußern haben. Auch gut. Dafür aber müssen wir uns selber eine Direktive geben – einen festen Weg vorzeichnen – sonst gleiten wir unversehens ins reaktionäre oder ins revolutionäre Lager. Hauptsache ist doch, dem liberalen Prinzip zum Sieg zu verhelfen, nicht wahr? Also ist es doch geboten, daß wir in unsern Leitartikeln die Grundsätze und die Taktik der liberalen Partei zielbewußt vertreten.«
»Die Taktik dieser Partei ist mit ihren Grundsätzen oft in direktem Widerspruch,« warf Bresser ein.
»Das beruht dann auf kluger Erwägung der gegebenen Umstände.«
»Opportunismus,« murmelte Bresser.
»Nennen Sie es Opportunismus, wenn Sie wollen. Man muß ja doch mit den realen Verhältnissen rechnen. Man kann, wenn man, um seine Prinzipien desto besser durchzusetzen, regierungsfähig werden will, nicht in allem Opposition machen; man muß gewisse Forderungen der Regierung – z. B. in der Militärfrage – opfermutig bewilligen, schon um sich loyal zu zeigen, um keinen Zweifel an seinem Patriotismus aufkommen zu lassen. Kurz, man muß, um nicht irre zu gehen, um das segensreiche Wirken unserer Partei zu, unterstützen, fest und unentwegt zu ihr halten.«
»Dazu hätte man nicht erst eine neue Zeitung zu gründen gebraucht,« bemerkte einer der Journalisten. »Wir besitzen ja in Wien ein Weltblatt, das mit Ihrer Partei durch dick und dünn geht.«
Bresser öffnete und schloß mehrere Male hintereinander die Lippen – aber er sagte nichts. Ein zorniges Gefühl stieg ihm in die Kehle – ein Gefühl, das einen trockenen und bitteren Geschmack hatte. – Macht haben und allein sein: das ist das einzige, um Großes, Neues durchzusetzen, – sagte er sich im Geiste – statt all dieser Finanzprotzen, Politikaster und Federfuchser, er allein mit ein paar Millionen in der Hand, dann flöge das Blatt, genau im Geiste seines Prospektes beschaffen, schon in vierzehn Tagen in alle Welt. Die kongenialen Kräfte kämen dann schon von selber herbei. Aber hier – das sah er jetzt kommen, würde das Unternehmen an den gegensätzlichen Willensrichtungen scheitern, oder in irgend ein altes Geleise hineingleiten. Schritte zu machen: zu diesem Beschluß raffen sich beratende Körperschaften schon auf: aber nur schön vorsichtshalber auf – ausgetretenem Wege. Einen neuen Weg vorzuschlagen, das wagt immer nur der einzelne.
Nach langer Debatte, an der sich Bresser nicht mehr beteiligte, wurde ein Vorschlag eingebracht und angenommen, dahingehend, daß aus der Mitte der Teilnehmer eine engere Kommission gewählt werde, bestehend aus zwei Kapitalisten, zwei Reichsratsabgeordneten und zwei Schriftstellern, welche über die Redaktion, über die Annahme und Ablehnung von Artikeln als oberstes Zensuramt und als entscheidende Instanz eingesetzt würde.
Diese Wahl wurde auf die nächste Sitzung anberaumt, denn es war
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