Martha's Kinder
Konferenz und schnell wieder zu dem Bilde Sylvias zurück. Die Gründungs-Angelegenheit interessierte ihn nun doppelt, da es ihm sehr erwünscht kam, gerade jetzt festen Fuß in der Journalistik und in der Schriftstellerlaufbahn fassen zu können. Liebe feuert den Ehrgeiz an. Er wollte Großes erreichen mit seiner Feder. Großes als Dichter, vielleicht noch Größeres als Publizist. Einen neuen, höher gestimmten Ton in die Tagespresse einführen, für die Ziele sozialer Entwicklung wirken, dem idealen Streben Rudolfs – ihres Bruders – die Stütze der Öffentlichkeit leihen, ihm helfen, indem er die Gedanken, die Rudolf im Parlament verträte, in dem neuen Blatt entwickeln wollte. Denn neben der alleinigen Leitung des Feuilletons sollte ihm auch eine Spalte im politischen Teile zur Verfügung stehen. Das war ein Kampffeld, auf dem bedeutende Siege zu holen waren. Und er wollte siegen. Er wollte, daß sie auf ihn stolz sein könne. Wer weiß, auch die Bühne konnte er erobern. Ein ganzer Schwarm ungeborner Dramenstoffe schien in seinem erregten Hirn zu wirbeln – nebst Ruhm würde er auch ein Vermögen sich erschreiben. Schwert und Szepter und Zauberstab sollte ihm seine Feder sein ...
Auf einer Zwischenstation stieg ein alter Herr ein – zufällig ein Bekannter, ein Berufsgenosse seines Vaters.
Es wäre Hugo viel lieber gewesen, allein zu bleiben. Er fühlte sich gestört, wie jemand, den man beim Schatzzählen unterbrochen hat.
»Ah, guten Tag, Bresser – das ist ja ein sehr angenehmes Zusammentreffen! Sie sehen prächtig aus – und so strahlend!«
Der Ausruf war gerechtfertigt. Aus den Augen des jungen Mannes blitzte solches Feuer, ein so sieghafter Ausdruck belebte seine Züge, daß es auffallen mußte.
»Kommen Sie von einer Kaltwasserkur oder fahren Sie nach Wien, einen Haupttreffer zu beheben?« fragte der andere lachend. »Sie sehen mir nach beidem aus.«
Nun war es mit dem schönen Sinnen und Träumen vorbei, Hugo mußte sich für den Rest der Fahrt in ein banales Gespräch einlassen.
In Wien angelangt, begab er sich in ein Café, wo er frühstückte und die Zeitungen las. Nicht nach den Nachrichten als solchen suchte er in den Blättern, sondern er musterte die Anordnung, kritisierte den Stil und die Tendenz der Kommentare, und verglich damit im Geist das Idealblatt, welches an diesem Tage ins Leben treten sollte.
Und wen er durch die breite Fensterscheibe, neben der er sah, auf die Straße blickte, wo so manche hübsche junge Frauengestalten vorbeieilten – Verkäuferinnen, die nach ihren Geschäften gingen – da betrachtete er auch diese nicht wie sonst um ihrer selbst willen, sondern verglich sie mit dem idealen Mädchen, das er zwar schon lange im Herzen trug, das ihm aber seit gestern zum einzigen Weib auf Erden geworden war.
Als er in das Sitzungslokal – im Bureau eines großen Bankhauses – kam, waren schon einige der Herren anwesend. Nach weiteren zehn Minuten war man vollzählig: der Besitzer des Bankgeschäftes und neben ihm drei andere Finanzgrößen; zwei Advokaten, mehrere Reichsrats-Abgeordnete, darunter ein Minister a. D., ein einstiger Zeitungsherausgeber und eine Anzahl junger Schriftsteller. In der Reihe der letzteren galt Bresser als einer der Hauptträger des neuen Unternehmens; ihm hatte man bei den Vorbesprechungen die meisten Anregungen zu danken gehabt, und von ihm waren die Prospekte aufgesetzt worden, die man zur Anwerbung von Mitgliedern für das Gründungskomitee versendet hatte.
Von einigen der Grundsätze und Programmpunkte, die in jenem Prospekt enthalten waren, war man im Verlaufe der Sitzungen schon abgekommen und manches Neue hatte sich eingeschoben. Heute galt es, zu endgültigen Entschlüssen zu gelangen und über die Finanzierung ins Reine zu kommen. Von verschiedenen Seiten waren Beteiligungsbeträge gezeichnet worden, aber die anwesenden Kapitalisten waren erst diejenigen, die den Ausschlag zu geben hatten, denn das von den anderen Gezeichnete hätte nicht zum zehnten Teile genügt, das Unternehmen lebenskräftig zu gestalten. Ein Jahr oder besser noch, zwei Jahre mußte man arbeiten können, ohne auf Gewinn zu rechnen, vielmehr mußte man gefaßt sein, im Anfang größere Beträge zuzusetzen; das Blatt mußte eine Zeitlang in Massen gratis versendet werden und in allen Cafés ausgelegt werden, damit das Publikum sich an dessen Physiognomie gewöhne. Eine Zeit der Aussaat hatte vorauszugehen – dann erst konnte man auf eine Ernte zählen. Die
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