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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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größten Autornamen sollten für die literarischen Beiträge gesichert werden, indem man höhere Honorare bewilligte als jede andere Zeitung. Auch im politischen Teile sollten unterzeichnete Artikel von hervorragenden Publizisten des In- und Auslandes erscheinen; der Nachrichtendienst sollte durch Original-Depeschen und Original-Korrespondenzen aus allen Hauptstädten versehen werden – und alles das erforderte große Summen. Wenn man aber erst das reichhaltigste, bestinformierte, literarisch vornehmste, unabhängigste – kurz das führende Blatt geworden, dann hätte man nicht nur eine hohe kulturelle Tat vollbracht, indem man das Niveau der Tagespresse gehoben, dann hätte man nicht nur veredelnden Einfluß auf den Geist der Bevölkerung und vielleicht auch wohltätigen Einfluß auf den Gang der inner- und außerpolitischen Ereignisse gewonnen – auch in finanzieller Hinsicht würde man reichlichen Gewinn erzielen. Schon bei einer Anzahl von dreißigtausend Abonnenten würde das angewandte Kapital sich verzinsen, und hielte man nur zwei Jahre aus, so mußte die Zahl der Abonnenten und Käufer eine weit bedeutendere Höhe erreichen.
    Das waren so die Ideen gewesen, auf welchen sich der große Zeitungsplan aufgebaut hatte.
    Und nun sollte die entscheidende Sitzung beginnen. Bresser fühlte sich in gehobener Stimmung. Hier eröffnete sich ihm ein reiches Wirkungsfeld. Die roten Blumen, die Sylvia um diese Stunde schon gefunden haben mußte, waren in seinem Bewußtsein mitgegenwärtig. Und selbst, wenn sie Gräfin Delnitzky wurde ... ihr Herz konnte in einigen Jahren doch dem erfolgreichen Dichter sich zuwenden ...
    Aber jetzt war überhaupt nicht der Augenblick, an Liebe zu denken. Dieser Augenblick gehörte der praktischen Arbeit, dem Lebensberuf. Es war ein bedeutender, zukunftsentscheidender Wendepunkt.
    Als Vorsitzender fungierte der Besitzer des Bureaus. Er eröffnete die Sitzung, indem er die Fondsbeschaffungsfrage zur Diskussion stellte und daran die Mitteilung knüpfte, daß er von zwei Kapitalisten, deren Beteiligung schon in sichere Aussicht genommen war, am selben Morgen Briefe erhalten hatte, worin unter verschiedenen Vormunden das gegebene Versprechen wieder zurückgenommen wurde. »Was mich betrifft,« fügte er hinzu, »so bleibe ich natürlich im Wort. Hunderttausend Gulden will ich dem Unternehmen zuwenden, nur muß ich noch eine Bedingung stellen, die übrigens weiter keine Schwierigkeit machen und die wir erst beim nächsten Punkt der Tagesordnung – »Programm«, – erörtern wollen. Das Wort hat nun Herr Baron Glasschild.«
    Der Genannte, ein behäbiger Fünfziger mit ausgeprägt orientalischen Zügen, räusperte sich, klemmte seinen Zwicker auf die Nase und sagte:
    »Was ich zu bemerken hätte, bezieht sich ebenfalls auf den Programmpunkt. Aber ich will es lieber gleich jetzt vorbringen, denn es ist mir sehr wichtig.« Nämlich das: in dem Prospekt, den ich erst heute genau gelesen habe, finde ich etwas, was durchaus hinaus muß ...« Er nahm eines der auf dem Tische liegenden Exemplare zur Hand – »hier steht's: »Bekämpfung des Antisemitismus«.«
    Die anderen blickten erstaunt auf. Der Baron, selber ein Jude, konnte doch gegen diesen Programmpunkt nicht eingenommen sein? Dieser aber fuhr fort:
    »Wissen Sie, meine Herren, man bekämpft doch nur etwas, was man ernst nimmt – etwas, was bedrohlich sein kann. Aber der Antisemitismus (mir ist das bloße Wort schon verhaßt, man sollte ihm garnicht die Ehre erweisen, es auszusprechen) das ist ja eine schon absterbende Verirrung, die aus Deutschland hereinkam, eine Erfindung des Pastor Stöcker, die aber hier keine Wurzel fassen wird ... dazu ist der Wiener zu gemütlich und zu – fidel, dem passen solche düstere Verfolgungslehren nicht – auch zu passiv, zu bequem. Glauben Sie mir – ich kenne unsere Bevölkerung; von den hohen Klassen rede ich garnicht – ich verkehre doch mit der höchsten Aristokratie ... na, und die kleinen Bürger, denen fällt so was garnicht ein. Da sind nur so ein paar Hetzer, die man am besten durch Totschweigen unschädlich macht ... Kurz, ich erkläre, wenn sich das Blatt mit dieser Frage überhaupt befassen, das dumme Zeug nur erwähnen wollte, so ziehe ich meine Mitwirkung zurück. Hat sich was: Antisemitismus ... Unsinn, weiter nichts – und soll auch als Unsinn behandelt, d. h. also in einer ernsten Publikation garnicht behandelt werden. Dixi .«
    Bresser erbat sich das Wort.
    »Da ich der Urheber

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