Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
ihm die Stimmen nur so zuflogen. Alles geht ja – das ist naturgesetzmäßig – auf der Bahn des geringsten Widerstandes – also auf der gewohnheitsgeglätteten Bahn. Die neuen, noch nie gehörten Ideen, die Rudolf vorgebracht hatte, blieben teils unverstanden, teils flößten sie Bangen ein.
    Namentlich von seinen Standesgenossen mußte er Vorwürfe hören. Die älteren Herren, gaben ihm wohlmeinende Belehrungen. Sie waren ja erfahrene Politiker – »Realpolitiker«; sie wußten also genau Bescheid und versuchten eindringlich, ihn von seinen unpraktischen Anschauungen abzubringen. An und für sich mag ja dies und jenes richtig sein – gaben sie zu – einiges sogar unanfechtbar, dennoch dürfe man es nicht vorbringen, weil es an gewissen Stellen verstimmen könnte – und vor allem gälte es, die eigene Partei regierungsfähig zu machen – nur dann sei überhaupt etwas zu erreichen. Daher ist Unterwerfung unter das Parteiinteresse das wichtigste politische Prinzip: nachgeben auf gewissen Gebieten, damit auf der anderen Seite auch nachgegeben werde –
    »Kurz«, unterbrach Rudolf solche Weisheitslehren, »der Kultus des »heiligen Kompromiß« – nein, ich danke.«
    Dem meisten Widerstand begegnete Rudolf von einer Seite, von der er ihn am wenigsten erwartet hätte – bei seiner Frau und deren Mutter. Kein direkter Widerstand gegen seine Prinzipien, denn von diesen verstanden sie nichts und er hatte sie ihnen auch nicht mitgeteilt, sondern indirekt durch das Hervorkehren ihrer Auffassung des ganzen parlamentarischen Berufs, in welchem sie nichts sahen, als den Hebel zur Erlangung eigener Vorteile. Als die eigentliche Aufgabe, als die unabweisbare Pflicht eines Abgeordneten betrachteten sie das Bestreben, durch die politische Tätigkeit Karriere zu machen. Also natürlich alles tun und reden, was den jeweiligen Ministern und noch mehr was allerhöchsten Orts gefallen muß. »Darum, nicht wahr, Rudi, nur immer eintreten für Thron, Altar und Armee ... unser Hof ist ja sehr fromm ... Und – friedliebend ist der Kaiser ja auch – aber er liebt seine Armee und tut so viel für sie ... was Friedrich Tilling wollte, ist ja recht schön; aber nur darf man das Militär nicht angreifen ... je stärker das Heer ist und je besser gerüstet, desto weniger werden die anderen sich trauen, Krieg anzufangen ... was würde auch aus allen Söhnen des Adels werden, wenn man weniger Offiziere brauchte?... Und dann: es ist gar nicht anständig, nicht patriotisch, wenn man gegen den Militarismus loszieht – das tun ja die sogenannten Roten, die alle Ordnung untergraben wollen ...«
    Rudolf wehrte derlei Einmengungen zwar ungeduldig ab, aber in einer Form oder der anderen schwirrten sie immer wieder um seine Ohren. Es war ihm daher beinahe wie eine Erleichterung, als er nicht gewählt wurde; denn zu dem Kampf, der im Reichsrat aufzunehmen war, hätte sich noch der Kampf mit den Seinen gesellt. Er wäre zwar nicht zurückgeschreckt vor diesem Kampf, und war entschlossen, bei nächster Gelegenheit wieder auf den Plan zu treten.
    Den vor längerer Zeit seiner Mutter mitgeteilten Plan, mit den Fühlern der Friedenssache in brieflichen und persönlichen Verkehr zu treten, hatte er ausgeführt. Er schrieb an Hodgson Pratt und Randal Cremer nach London, an Frèdéric Passy und Simon nach Paris, an Franz Wirth nach Frankfurt a. M., an Virchow nach Berlin, an Professor Graf Kamarowsky nach Moskau, an Teodora Moneta nach Mailand, an Ruggiero Bonghi und Beniamino Pandolfi nach Rom, an Frederic Bajer nach Kopenhagen, an General Türr nach Budapest; von diesen erfuhr er genau, wie die »Bewegung« für Frieden und Schiedsgerichte in den verschiedenen europäischen Ländern stand und in das bekannte Protokoll gab es wieder viel einzutragen. Hätte Rudolf dem Parlamente angehört, so würde er versucht haben, sich an die Spitze einer österreichischen Gruppe der Interparlamentarischen Union zu stellen. Eine solche entstand anläßlich der im November 1891 in Rom tagenden interparlamentarischen Konferenz, und zur Anregung dieser Bildung hatte er reichlich beigetragen.
    Im übrigen war und blieb er ein Feind des Vereinswesens. Martha hatte ihm nahegelegt, daß für ihn die beste Art, Tillings Ideen zu verwirklichen, darin bestände, die internationale Bewegung, mit deren Trägern er ja so eifrig korrespondierte, nach Österreich zu verpflanzen, indem er auch in Wien einen Verein ins Leben riefe, dessen Mitglieder dann an den alljährlichen

Weitere Kostenlose Bücher