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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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in den Salon zurück.
    »Störe ich nicht, Gräfin? Sie wollten vielleicht auch ins Theater –«
    »Nein, nein, ich bleibe zu Hause – ich muß sogar – meine Freunde wissen, daß ich an Donnerstagabenden zu treffen bin.«
    Sie schenkte den schwarzen Kaffee ein und reichte ihm eine Schale. Zugleich deutete sie auf einen mit Zigaretten gefüllten Becher. »Wenn Sie rauchen wollen – es ist erlaubt.«
    Das Tete-a-tete hatte etwas Schwüles, Beengendes für sie. Sie fürchtete, Hugo könnte von seinem Briefe sprechen, den sie an ihrem Hochzeitstag verbrannt. Sie empfand etwas von Beschämung, denn der junge Mann mußte durchschaut haben, daß ihr eheliches Verhältnis nicht war, was es sein sollte.
    In Bresser loderte die alte Leidenschaft wieder hell auf. In den Schatten gestellt war das Bild einer jungen Berliner Schauspielerin, die seine Geliebte war; es war ihm, als hätte er nie an eine andere gedacht – als wäre Sylvia wieder das einzige Weib, das die Welt für ihn enthielt.
    Aber er wagte es nicht, sich zu verraten. Er versuchte, die Unterhaltung in demselben banalen Ton fortzusetzen, wie sie bei Tisch geführt worden war. Sylvia ging darauf ein, doch es verletzte sie, daß Bresser nicht, wie er es vor Delnitzkys Ankunft getan, sein Gespräch jetzt wieder auf einen höheren Ton stimmte. Sollte er glauben, daß sie nicht auf seinem geistigen Niveau sei, daß sie sich nur behaglich fühle in den schalen Alltäglichkeiten, welche den Stoff zu Delnitzkys Unterhaltung abgegeben hatten? So sollte ein Dichter – und ein Mann, der sie einst geliebt hatte, nicht von ihr denken. Und als er wieder irgend eine nichtssagende Bemerkung vorbrachte – ein Vergleich zwischen den Bauten von Wien und Berlin, zwischen den Kältegraden von dort und hier – da machte sie eine ungeduldige Bewegung und sagte:
    »Ach, das interessiert mich nicht ... reden Sie doch nicht so mit mir ... Wie sagte doch Toni? »Wir seien ein paar Jugendfreunde« ... Freunde haben sich doch Besseres mitzuteilen als architektonische und meteorologische Beobachtungen.«
    »Wir waren aber nicht Jugendfreunde, Frau Gräfin. Zwischen uns beiden gähnte ein gesellschaftlicher Abgrund – ich blickte zu Ihnen auf wie zu einem Stern ... Nur einmal – ein paar Stunden, ein paar Tage vergaß ich diese Entfernung – aber davon soll und darf ich doch nicht reden?«
    »Nein, davon nicht.«
    Sie schwiegen eine Weile – eigentlich hatten sie beide doch davon geredet.
    »Lassen Sie uns auf Ihre literarische Laufbahn zurückkommen – das fesselt mich wirklich lebhaft. Ich sehe, daß Sie eine Lebensaufgabe haben, daß Sie großen Zielen zustreben ... wie mein Bruder. Wie schade, daß er nicht gekommen ist; Sie hätten miteinander vielleicht wieder jenen Streit aufgenommen – über den Vorrang des Gedankens oder der Tat ...«
    »Wie! Sie erinnern sich noch? Wie Sie sehen, bin ich meiner Ansicht treu geblieben – ich habe mich einzig in den Dienst des Gedankens gestellt. Und da nicht einmal des grübelnden, oder auf irgend welche praktische Ziele gerichteten, sondern des frei über allen Wolken schwebenden Gedankens. Rudolf hat wohl noch immer politische und weltverbessernde Pläne? Ach, ich fürchte, verbessern läßt sich nicht viel an unserem kleinen Stückchen Umwelt ... Ich wenigstens könnte es nicht – höchstens ein klein wenig verschönern, sei es durch ein bißchen Kunst, oder ein bißchen – Liebe.«
    Das Wort Liebe, in der Betonung, in der Hugo es gesprochen, verursachte der jungen Frau eine Sekunde der Beklemmung. Sie wußte selbst nicht, was diese Beklemmung eigentlich war ... Sehnsucht? Eifersucht? Sie holte einen tiefen Atemzug:
    »Was schreiben Sie jetzt?« fragte sie.
    Er hatte nicht Zeit zu antworten. Der Bediente meldete Besuch. Bald war der Salon mit einem Dutzend Leute gefüllt und Bresser empfahl sich von der Hausfrau.
    »Wann sieht man Sie wieder?« fragte sie, ihm die Hand zum Kusse reichend.
    »Sobald Sie befehlen.«

XI.
    Rudolf Dotzky war bei den Reichsratswahlen durchgefallen. Er hatte es verschmäht, sich vom Großgrundbesitz aufstellen zu lassen, weil er sich da einer der bestehenden Parteien hätte anschließen müssen, und hatte sich um ein Mandat in Wien beworben. In den Wahlversammlungen hatte er sein Programm mit beredten Worten entwickelt und viel Beifall gefunden – die Stimmenmehrheit fand er aber nicht.
    Sein Gegenkandidat hatte ein so bewährtes altes Programm entworfen, mit allen üblichen Versprechungen gespickt, daß

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