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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Versuch wies Sylvia jedoch mit aller Entschiedenheit zurück. Die Zuneigung und Hochschätzung, die sie seit frühester Kindheit für ihren Stiefbruder hegte, war durch seine so ungewöhnliche Tat noch um vieles gestiegen. Sie blickte zu ihm auf, voll Stolz auf das, was er getan, und voll Vertrauen in das, was er sich zu tun vorgesetzt.
    Von der Gesellschaft hatte sich Sylvia allmählich zurückgezogen. Das Bewußtsein war ihr peinlich, daß sie von ihren Bekannten als die verlassene und betrogene Frau bedauert wurde. Solche, die wußten, daß sie eigentlich nicht betrogen war, da sie die Untreue ihres Mannes kannte, die verurteilten sie mit Strenge: »Das ist unmoralisch von einer Frau, sich solches gefallen zu lassen, herzlose Gleichgültigkeit, verächtliche Schwäche!« Wie oft hatten vermeintliche gute Freundinnen mit allerlei vorsichtigen Redewendungen ihr zu hinterbringen gesucht, daß es heiße ... daß man munkle ... sie möge doch auf ihrer Hut sein ... Und wenn sie auf solche Insinuationen achselzuckend mit einem »Ich weiß ja alles« antwortete, dann brach die Entrüstung los: »Wie, Du weißt ... und duldest es? – vergißt Du, was Du Deiner Würde schuldig bist? Deine Rechte als Gattin mußt Du wahren.« Manche sagten auch, sie solle sich einfach rächen ... gleiches mit gleichem. – Das am allerwenigsten. In Reinheit wollte sie durchs Leben gehen.
    Länger als ein Jahr war es nun, daß sie Hugo Bresser nicht gesehen. Häufig jedoch erhielt sie von ihm Briefe und, wenn auch seltener sie schrieb auch ihm. Es waren keine Liebesbriefe, aber zwischen den Zeilen pochte, hörbar für den Empfangenden, das Herz des Schreibenden. Der einzige Gegenstand der Korrespondenz war die Literatur. Er schrieb von seinen Entwürfen und Erfolgen, er übersandte ihr Proben der Sachen, die er eben in der Werkstatt hatte; er schickte ihr aber auch Bücher anderer Verfasser, die Eindruck auf ihn gemacht, und dissertierte über deren Inhalt. Sylvia gab ihr Urteil ab, nicht im Tone der Kritik, sondern einfach, indem sie sagte, was sie bei dieser oder jener Stelle empfunden.
    Seitdem sie einem Dichter ihr Herz geschenkt, war ihr die Beschäftigung mit Dichterwerken zu einem genußreichen, lebenausfüllenden Studium geworden. In einem schönen Gedichte – ob es nun von Hugo war, oder nur von ihm angepriesen – konnte sie schwelgen, wie ein musikliebender Mensch in Melodien schwelgt. Zu eigenem Schaffen brachte sie es nicht, hätte es auch gar nicht gewollt. Das Vertiefen in die Werke der andern gab ihr volle Befriedigung.
    Erst durch die Liebe war diese Passion in ihr geweckt worden. Das gehobene und geradezu wonnige Entzücken, mit welchem sie an jenem Abend Hugos Dichtung vorgelesen, hatte in ihr die Leidenschaft für alle Poesie angefacht, und von da an versenkte sie sich mit Inbrunst in die Werke aller toten und lebenden Meister des gebundenen Worts. Und ihr Dichter hielt – in ihren Augen – neben den berühmtesten Literaturhelden Stand. Daß auch er die höchste Stufe seiner Kunst erreichen werde, war für sie nicht zweifelhaft. Und sie blickte mit einer Art Ehrerbietung zu ihm auf. Daß sie die große Dame, er ein eigentlich noch unbekannter Literat und gesellschaftlich unbedeutender Mensch war, kam ihr gar nicht zum Bewußtsein – er war der Gottbegnadete, der Anwärter auf die Strahlenkrone des Ruhms – sie eine einfache, unbedeutende Frau.
     
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    Einige Zeit nach dem Abschiedsdiner in Brunnhof erhielt Sylvia von Hugo einen Brief, worin er seine Ankunft in Wien für den nächsten Tag ansagte.
    Es versetzte ihr einen freudigen und zugleich bangen Schreck. Die lange briefliche Gemeinschaft war ihr zu teurer Gewohnheit geworden, daß sie beinahe fürchtete, die persönliche Berührung könnte irgend eine Störung, einen Mißton hineinbringen.
    Dennoch gewann die Empfindung die Oberhand, daß der morgige Tag mit diesem Wiedersehen ihr ein hohes Fest verhieß. Sie teilte es sich so ein, daß sie um die Stunde, für die er sich angesagt, allein zu Hause war.
    Es war Nachmittag vier Uhr. Draußen schien eine helle und warme Herbstsonne. Dennoch brannte im Kamin ein lustig prasselndes kleines Feuer. Und auf einem Seitentische, über blauen Spiritusflämmchen, brodelte in silbernem Kessel das Teewasser. Von der Straße her gedämpfter Wagenlärm. Magnolienduft vom Blumentisch. Vor diesem steht Sylvia und pflückt eine Blüte ab, die sie an ihre Taille steckt. Sie trägt ein Straßenkleid aus schwarzem Samt – eben

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