Martin, Kat - Perlen Serie
spuckte verächtlich auf den Boden. „Wer wäre denn so dumm, eine so reizende junge Frau allein durch die Nacht zu schicken? Nein, ich glaube nicht, dass jemand auf Sie wartet."
„Lassen Sie mich bitte gehen." Sie überlegte kurz, ob sie nun wie vereinbart eine Ohnmacht vortäuschen solle. Cord würde ihr sicher sofort zu Hilfe eilen, aber dann könnte es passieren, dass sie alle entdeckt und gefangen genommen würden. „Ich sage Ihnen die Wahrheit. Mein Mann hat mich auf der Reise begleitet. Er hat mir auch verboten, allein hierher zu kommen, doch als ich festgestellt habe, wie nah das Gefängnis ist, konn- te ich es kaum noch erwarten, meinen Bruder wiederzusehen. Nun muss ich unbedingt zurück, bevor mein Mann mich ver- misst, sonst wird er sehr verärgert sein!"
„Das ist er bereits." Als sie Max Bradleys Stimme hinter sich vernahm, empfand sie unendliche Erleichterung. Der dicke Wachmann ließ ihr Handgelenk los und trat sofort einen Schritt zurück. Max Bradley hatte etwas an sich, das jeden Mann einzuschüchtern vermochte.
Tory griff Max beim Arm und sah ihn flehentlich an. „Die beiden Männer hier waren sehr freundlich zu mir. Sie haben gesagt, dass jemand sich nach Gaspards Wohlergehen erkun- digen wird, wenn wir morgen früh wiederkommen. Vielleicht können wir ihn dann sogar besuchen!"
Finster sah der Agent sie an. „Dein nichtsnutziger Bruder ist keinen Pfifferling wert!" Er hatte den Arm fest um sie gelegt und begann, sie mit sich zu ziehen. „Und ich rate dir auch, dich in Zukunft nicht mehr meinen Anordnungen zu widersetzen." Tory setzte eine reuige Miene auf und folgte ihm gehorsam. Schweigend erklommen sie den Hügel, hinter dem, außer Sichtweite der Wachposten, sie den Wagen erblicken konnten. Der Sitz war leer, und das dunkle Verdeck war zugezogen. „Kommen Sie. Die anderen warten bereits im Wagen." Max half ihr auf den Kutschbock und kletterte dann selbst hinauf. Er löste die Bremse und setzte das Gespann in Bewegung. Erst jetzt begann sie, sich zu fragen, warum ihr nicht wie ge-
plant Cord zu Hilfe geeilt war, sondern Max. Ob es nur daran
lag, dass er besseres Französisch sprach? „Ist... ist alles gut ge-
gangen?"
„Zum größten Teil."
„Dann ist Captain Sharpe wohlauf?"
„Nein, der Captain ist in sehr schlechter Verfassung und
kann von Glück sagen, dass er noch lebt." Max lenkte die Pfer-
de auf die Landstraße, und der Wagen schaukelte beunruhi-
gend. „Zudem gab es einen Zwischenfall."
Tory spürte ein banges Gefühl der Angst. „Einen Zwischen-
fall?"
„Auf dem Rückweg trafen wir unerwartet auf einen Wach-
posten. Er stand im Schatten, und wir haben ihn zunächst nicht bemerkt. Als er den Alarm auslösen wollte, hat Ihr Mann sich auf ihn gestürzt."
Tory atmete tief durch. Sie hatte vier Männer das Gefängnis verlassen sehen,was nur bedeuten konnte, dass Cord nichts geschehen war. „Was genau ist passiert?"
„Es gab einen kurzen Kampf. Lord Brant zögerte, seine Pis-
tole zu gebrauchen, da er wusste, dass er mit dem Geräusch ei-
nes Schusses nur ein Dutzend weitere Wachposten herbeirufen
würde. Sein Gegner hatte allerdings ein Messer, und Ihr Mann wurde in der Auseinandersetzung verwundet. Die Klinge traf ihn in der Brust."
Sie gab einen erstickten Laut von sich und wandte sich nach dem Wagen um. Max griff nach ihrem Arm und wiessie an, still
zu sitzen.
„Er braucht meine Hilfe! Sicher blutet er ... Die Blutung
muss gestoppt werden!"
„Darum haben wir uns bereits gekümmert. Bis wir die
Nightingale erreichen, ist er versorgt, und danach wird der Arzt sich um ihn kümmern."
Noch einmal schaute sie sich zögernd um. „Die Straße ist
sehr uneben. Durch die Erschütterung könnte die Wunde wie-
der zu bluten beginnen. Lassen Sie mich nach ihm sehen ... Vielleicht kann ich etwas für ihn tun!"
„Das Beste, was Sie tun können, ist, sich ruhig zu verhalten.
Wir sind noch nicht in Sicherheit, und wenn wir angehalten werden, bevor wir das Schiff erreichen, wäre das noch schlim-
mer, als wenn Seine Lordschaft direkt ins Herz getroffen wor-
den wäre."
Tory klammerte sich an ihrem Sitz fest und versuchte, ihre
Gefühle in den Griff zu bekommen. Cord war verletzt... viel- leicht sehr schwer verletzt. Und sie konnte ihm nicht helfen!
„Was ist mit dem Wachmann, der ihn angegriffen hat? Wird er nicht schon längst Alarm geschlagen haben?"
Max verzog keine Miene. „Darum müssen Sie sich keine Sor- gen mehr machen. Der sagt nichts
Weitere Kostenlose Bücher