Martin, Kat - Perlen Serie
vater seine Schuld nachzuweisen, verstreichen lassen?
Am Abend begann sie einen Brief an Cord, den sie zweimal neu schrieb, bevor sie endlich glaubte, ihr Anliegen in die rich- tigen Worte gefasst zu haben. Sie löschte die Tinte sorgfältig ab, faltete den Brief und versiegelte ihn. Dann legte sie ihn auf den Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer, wo sie sicher sein konnte, dass Cord ihn bei seiner Heimkehr sofort finden wür- de.
Wenn alles nach Plan lief, würde er den Brief nie lesen, da sie bereits vor ihm zu Hause wäre und ihm dann alles erzählen könnte.
Und sie hoffte, dass sie ihm dann auch endlich das Tagebuch
würde zeigen können. Seine Existenz musste Cord davon überzeugen, dass sie ihm von Anfang an die Wahrheit gesagt hatte - und ihn somit auch nie mit Julian Fox betrogen hatte. Es gab also schon zwei gute Gründe, weshalb sie das Tage- buch finden musste!
In der Nacht heulte ein stürmischer Wind um das Haus. Die Äste der Bäume vor ihrem Fenster schlugen an die Scheibe, und nur schwach schien der Mond in ihr Zimmer. Lange konn- te Tory keinen Schlaf finden und wurde von Erinnerungen an den Tag geplagt, an dem ihr Vater gestorben war: die schreck- liche Stille im Haus und das von Trauer verzerrte Gesicht ih- rer Mutter.
Am nächsten Morgen erwachte sie daher später als geplant. Sie fühlte sich müde und angespannt, war aber immer noch fest entschlossen, ihren Plan durchzuführen. Erneut wurde sie von Übelkeit überkommen, glücklicherweise erholte sie sich rasch wieder. Eine Stunde später stand die elegante schwarze Kalesche, die Cord ihr geschenkt hatte, vor dem Haus bereit, und die Pferde schnaubten in unruhiger Aufbruchsstimmung. Der Wagen war eigentlich nicht für längere Fahrten über Land, noch dazu bei schlechtem Wetter, geeignet. Doch da Cord mit der Kutsche nach Watford gefahren war, würde sie mit der Kalesche vorlieb nehmen müssen.
Tory hatte ein warmes Tageskleid aus blauem Wollstoff an- gezogen, zu dem sie einen passenden Hut trug. Ungeduldig wartete sie darauf, dass Emma ihr den fellbesetzten Umhang um die Schultern legte, und eilte dann die Treppe hinunter. Evan half ihr in die Kalesche und breitete dann eine schwe- re Decke über ihre Beine, um sie während der Fahrt warm zu halten. Danach stieg er zu Griggs auf den Kutschbock und schien den kalten Novemberwinden weitaus gefasster entge- genzusehen als sie.
Die Fahrt dauerte nicht vier Stunden, wie sie vermutet hat- te, sondern mehr als fünf. Tory las währenddessen Castle Rackrent, das sie sich aus der Bibliothek mitgenommen hatte, doch fand sie es zunehmend schwerer, sich auf ihr Buch zu konzentrieren, da ihr kälter und kälter wurde. Zwar hatten sie auf dem Weg mehrere Pausen eingelegt, damit sie sich in Gast- häusern wieder etwas aufwärmen konnten; dadurch dauerte die Fahrt allerdings noch länger.
Am späten Nachmittag erreichten sie schließlich das kleine
Dorf Windingham in den Cotswolds und steuerten auf ein Her- renhaus aus gelbem Sandstein zu, das am Fuße eines sanft an- steigenden Hügels lag.
Windmere!
Der Name ließ Erinnerungen in ihr aufsteigen, und ihr wur- de schwer ums Herz. Während der letzten zwei Jahre hatte das Haus leer gestanden, und nur der Gärtner und seine Frau leb- ten auf dem Anwesen, um nach dem Rechten zu sehen.
Sie hoffte, dass die Frau des Gärtners, Mrs. Riddle, sich an sie erinnern würde und sie in das Haus ließe.
Denn die Frau konnte ja nicht wissen, wie wenig Lord Har- wood seine Stieftochter in seinem Haus willkommen geheißen hätte - war sie doch gekommen, um ihm einen Mord nachzu- weisen.
Cord hatte gehofft, in Watford etwas zur Ruhe zu kommen. Schließlich war es ein kleiner, idyllischer Ort auf dem Land, weit fort vom Lärm, dem Dreck und der Hektik der Stadt - und weit fort von Victoria. Stattdessen hatte er eine wenig er- holsame Nacht verbracht, in der er ununterbrochen an sie dachte und sich wünschte, dass sie jetzt bei ihm wäre.
Am späten Morgen seines zweiten Tages hatte er alle Infor- mationen über das Grundstück zusammen, das er zu kaufen gedachte, und entschied sich, sofort nach London zurückzu- kehren.
Die Fahrt in die Stadt dauerte nicht lange, und er war kurz nach Mittag wieder zu Hause. Die Trennung von Victoria hat- te ihm keine Klarheit über seine Gefühle verschafft, aber er konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen.
Vielleicht konnte er nur gemeinsam mit ihr der Situation be- gegnen.
„Willkommen, Mylord", begrüßte ihn Timmons in
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