Martin, Kat - Perlen Serie
Hausdiener herbei und öffnete die Tür. Cord hatte gerade den Fuß auf die eiserne Trittstufe gesetzt, da sah er Emma mit hektisch geröteten Wangen auf sich zueilen.
„Warten Sie, Mylord! Sie müssen warten, bitte!" Sie wedel- te mit einem Stück verkohltem Papier, und ihre Hände waren voller Ruß.
Cord machte einen Schritt zurück und straffte die Schultern.
Er konnte förmlich spüren, wie der Schutzwall um sein Herz
sich aufrichtete.
„Was gibt es, Emma?" fragte er kühl.
„Das ist der Brief, Mylord." Sie war völlig außer Atem. „Der
von Mylady. Mrs. Rathbone ... sie hat ihn von Ihrem Schreib-
tisch genommen. Als ich in ihr Zimmer kam, wollte sie ihn ver-
brennen."
Cord streckte seine Hand nach dem angesengten Briefbogen aus. Er würde lesen, was Victoria ihm zu sagen hatte, doch er war fest entschlossen, dass es nichts an seiner Entscheidung ändern würde.
Der Anblick ihrer vertrauten Schrift trieb ihm indes sogleich Tränen in die Augen. Er blinzelte, bevor er lesen konnte.
Liebster Cord,
ich weiß, dass Du verärgert sein wirst, wenn du dies liest, aber ich muss etwas erledigen, was mir sehr wich- tig ist. Ich kann nur hoffen, dass du mich verstehst, nachdem du meinen Brief gelesen hast.
Heute werde ich nach Windmere fahren, um das Tage- buch meiner Mutter zu suchen. Mein Stiefvater hat das Haus verkauft, und mir bleibt nur noch dieser eine Tag. Ich weiß, dass du an der Existenz des Tagebuches zwei- felst, aber ich bin mir sicher, dass meine Mutter heraus- gefunden hatte, dass Miles Whiting für den Tod meines Vaters verantwortlich war, und in ihren Aufzeichnungen hoffe ich, einen Beweis dafür zu finden.
Wenn du vor mir zurückkehrst, vergib mir bitte. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel du mir bedeutest. So- bald ich wieder bei dir bin, werde ich dich meine ganze Liebe spüren lassen.
Deine dich liebende Frau,
Victoria
Cord las den Brief erneut und bemühte sich, sachlich zu blei-
ben. Sie schrieb, dass sie nach dem Tagebuch suchte. Genau diese Ausrede hatte sie bereits zuvor benutzt. Damals hatte er ihr nicht geglaubt -und weshalb sollte er dasnun?
Langsam faltete er den Brief wieder zusammen. Er könnte jetzt in seine Kutsche steigen, wegfahren und Victoria verges-
sen, nicht mehr an seine Ehe denken oder daran, dass seine Frau ein Kind erwartete, das vielleicht nicht seines war.
Genauso gut könnte er ihr aber auch glauben und der Liebe noch eine weitere Chance geben ...
Er erinnerte sich an ihre letzten gemeinsamen Stunden. Ihm fiel wieder ihre erste Begegnung ein. Und er dachte auch da- ran, wie viel Mut sie in der Nacht bewiesen hatte, als sie Ethan aus dem Gefängnis befreit hatten. An Entschlossenheit und Furchtlosigkeit hatte es ihr nie gemangelt. Sollte es dieses Ta- gebuch tatsächlich geben, würde sie nicht eher aufgeben, bis sie es gefunden hatte.
Cord sah nachdenklich zum Haus hinauf und versuchte, sich eine Zukunft ohne Victoria vorzustellen. Sein Entschluss stand fest.
Er wandte sich an Emma. „Wo ist Mrs. Rathbone?"
„Im oberen Stock, Mylord."
Cord ging zurück in das Haus, nahm je zwei Stufen auf ein- mal und stieg schließlich die steile Treppe hinauf, die zu den Räumen der Dienstboten führte.
Durch die halb geöffnete Tür sah er Mrs. Rathbone in ihrem Zimmer auf und ab gehen. Sie wurde kreidebleich, als er ein- trat.
„M...Mylord?"
„Warum haben Sie den Brief entwendet?"
Die Frau presste ihre dünnen Lippen zusammen. „Es ... es war ein Missverständnis, Mylord. Ich habe in Ihrem Arbeits- zimmer aufgeräumt, und der Brief ist irrtümlich in den Abfall geraten. Ich habe ihn nicht absichtlich ins Feuer geworfen. Ich ... ich wusste ja gar nicht, dass da ein Brief für Sie war." Cord warf einen kurzen Blick auf den kleinen Ofen, aus dem immer noch etwas Rauch stieg. Weshalb sollte sie Papiere in ihrem Zimmer verbrennen?
„Sie lügen. Von dem Tag an, als Victoria dieses Haus betre- ten hat, haben Sie sie gehasst. Sie wollten nicht, dass ich den Brief finde, und sie damit in Schwierigkeiten bringen."
„Nein, Mylord, das ist nicht wahr."
Plötzlich erinnerte er sich noch an etwas anderes. „Als Sie sich damals mit einem der Zimmermädchen über Lady Brant unterhalten haben, wussten Sie, dass ich nebenan im Bad war und alles würde mit anhören können. Auch damals wollten Sie meine Frau und mich auseinander bringen."
„Sie ist in dieser Nacht wirklich fortgegangen. Es war genau so, wie ich es gesagt habe."
„Es hat Sie überhaupt
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