Martin, Kat - Perlen Serie
chen, Mrs. Rathbone für sich zu gewinnen - selbst wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wie ihr das gelingen sollte.
Sie brauchte unbedingt etwas frische Luft. Tory ging zu den großen Flügelfenstertüren, die in den Garten führten, stieß sie auf und ging hinaus in die warme Sommersonne.
Langsam schlenderte sie durch den Garten, der um diese Jahreszeit in voller Blüte stand. Sie sah die Wolken am Him- mel über sich hinwegziehen und freute sich über das saftige Grün und die Farbenpracht der Blumen um sie herum.
Eigentlich durfte sie nicht hier sein, denn schließlich war sie eine Dienstbotin und kein Gast des Hauses. Doch es war schon so lange her, seit sie zuletzt dem leisen Plätschern eines Brun- nens gelauscht hatte oder den zarten Duft von blühendem La- vendel gerochen hatte. Sie blieb am Rand des Springbrunnens stehen und atmete tief durch.
„Sind Sie Mrs. Temple?"
Tory schrak zusammen und wandte sich zu einem kleinen dunkelhaarigen Jungen um, der sich zu ihr gesellt hatte. „Ja, die bin ich." Sie lächelte. „Und du bist sicher Master Teddy Randall."
Er grinste sie an, und sie sah, dass ihm zwei Schneidezähne fehlten. Er mochte fünf oder sechs Jahre alt sein, hatte große blaue Augen und ein Lächeln, das sein ganzes Gesicht strahlen ließ.
„Woher wissen Sie meinen Namen?"
„Ich habe gehört, wie deine Mutter und Lord Brant sich während des Frühstücks über dich unterhielten."
„Ich habe auch Leute über Sie reden hören." Fragend sah er sie an. „Warum mag Sie eigentlich niemand?"
Ihr Lächeln verschwand schlagartig. „Hat der Earl über mich geredet?"
Der Junge schüttelte seinen Kopf. „Nein, eine Frau namens Mrs. Rathbone und die Köchin. Sie haben gesagt, dass Sie Lord Brants Flittchen wären und dass er Sie deshalb einge- stellt hat. Was ist ein Flittchen? Ich dachte immer, das seien kleine Tiere."
Tory spürte ihr Gesicht glühen. Wie konnten sie es wagen, so etwas zu behaupten! Sie dachte erneut daran, Mrs. Rathbone zu entlassen, zwang sich aber, ihre Wut zu beherrschen. „Nun, ein Flittchen ist ... eine Frau, die Dinge tut, die man nicht tun sollte. Du solltest nicht auf solche Klatschgeschich- ten hören." Sie beugte sich zu ihm hinunter und nahm seine Hand. „Du hast gerade kleine Tiere erwähnt", versuchte sie schnell das Thema zu wechseln. „Magst du denn auch junge Hunde?"
Er nickte eifrig.
„Dann hast du Glück, denn in den Stallungen gibt es einen ganz frischen Wurf."
Teddy grinste erneut, wobei sich kleine Grübchen in seinen Wangen zeigten. „Ich liebe Welpen! Besonders, wenn sie strub- beliges schwarzes Fell haben."
Tory lächelte. „Na, dann wollen wir mal schauen." Teddy hielt ihre Hand und folgte ihr durch den Garten.
Gerade wollten sie das Kutschenhaus betreten, als Lord Brant ihnen entgegenkam.
Überrascht blieb er vor ihnen stehen. „Wie ich sehe, haben Sie eine neue Bekanntschaft gemacht."
Tory erinnerte sich an die Worte Mrs. Rathbones, und sie spürte, wie ihr wieder die Hitze in die Wangen stieg. Am liebs- ten hätte sie ihn angeschrien und ihm gesagt, dass die Dienst- boten nur seinetwegen so schlecht über sie redeten. Doch sie wusste, dass sie daran genauso Schuld hatte, weil sie die Stel- le bei ihm angenommen hatte.
Mit unbewegter Miene hielt sie seinem Blick stand. „Ja, wir haben uns im Garten getroffen." Ihre Worte klangen etwas spitz, und sie hätte am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht. Doch sie musste an Claire denken und daran, was aus ihnen werden sollte, wenn sie ihre Stelle verlor. „Teddy und ich wol- len uns die Welpen anschauen. Wenn Sie uns bitte entschuldi- gen würden, Mylord."
Er machte jedoch keine Anstalten, beiseite zu treten. Groß und breitschultrig stand er vor ihnen und versperrte ihnen den Weg in das Kutschenhaus.
„Ich habe auch gehört, dass die Hündin des Kutschers Jun- ge hat. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne mit- kommen und sie mir ebenfalls ansehen."
Natürlich machte es ihr etwas aus, sehr viel sogar! Wenn man sie zusammen sah, würde das dem Klatsch unter den Dienstboten nur neue Nahrung geben.
Andererseits konnte sie ihm wohl kaum verbieten, sein eige- nes Kutschenhaus zu betreten. Als sie und Teddy durch das Tor gingen, begleitete sie der Earl. Tory erstarrte, denn sie spürte, wie er seine warme Hand um ihre Taille legte, um ihr in dem Halbdunkel, das im Inneren des Gebäudes herrschte, den Weg zu weisen.
Sie hörte das leise Rascheln ihres Rockes, der sein Bein bei
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