Martin, Kat - Perlen Serie
sein, wie Tory befürchtet hatte, lachte der Earl nur. Kopfschüttelnd sah er sie über das
Schachbrett hinweg an.
„Sie überraschen mich immer wieder, Mrs. Temple."
„Damit wollen Sie hoffentlich sagen, dass ich meine Anstel-
lung als Haushälterin nicht verlieren werde."
Überrascht machte er eine abwehrende Geste. „Vielleicht
sollten Sie mich ab und zu gewinnen lassen, damit ich es mir nicht doch noch anders überlege."
Sie lächelte. „Ich glaube nicht, dass Ihnen das gefallen wür-
de."
Der Earl lächelte gleichfalls. „Nein, da haben Sie Recht. Ich
möchte so bald wie möglich eine Revanche."
„Es wäre mir ein Vergnügen, Mylord."
Cord erhob sich und reichte Tory die Hand, um ihr beim Auf-
stehen behilflich zu sein. Erneut stand sie so dicht vor ihm, dass sie den tiefen Goldton seiner Augen schimmern sah. Sein Blick schien sie wie gebannt festzuhalten, und sie fühlte seine
Hand liebkosend auf ihrer Wange. Dann berührte sein Mund sanft ihre Lippen.
Tory schloss die Augen und spürte, wie eine angenehme Wärme sie umfing. Seine Lippen bewegten sich langsam auf die ihren, er schien sie zu erkunden, tastete sich vor und ver-
suchte, sie zu verführen, sich ihm zu öffnen. Als seine Zunge von ihr Besitz ergriff, begann Tory, am ganzen Körper zu zit-
tern. Unwillkürlich streckte sie ihre Hände aus und hielt sich am Revers seines Abendjacketts fest. Er gab einen heiseren
Laut von sich, legte seinen Arm um sie und zog sie an sich. In diesem Moment kam Tory mit einem Schlag wieder zu Be-
wusstsein.
Sie riss sich los und versuchte verzweifelt, ihre Selbstbe-
herrschung wiederzuerlangen. „Mylord! Ich ... ich weiß, was
Sie denken müssen, aber Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, dass ... dass ich ..."
„Es war nur ein Kuss, Mrs. Temple."
Nur ein Kuss? Sie fühlte sich, als sei ihre ganze Welt aus den Fugen geraten. „Diesen Kuss hätte es nie geben dürfen. Eine
solche Indiskretiondarf sich ... nie wieder ereignen."
„Es tut mir Leid, wenn Sie keine Freude daran hatten. Mir
hat es gefallen."
Das Blut stieg ihr in die Wangen, wenn sie daran dachte, wie sehr es auch ihr gefallen hatte. Ihre Empfindungen ließen sich kaum in Worte fassen. „Es verstößt gegen den Anstand. Sie
sind mein Dienstherr, und ich bin Ihre Haushälterin."
„Das stimmt allerdings. Nur vielleicht können wir das ja än- dern."
Was um alles in der Welt wollte er damit sagen? Sofort kam ihr das Wort „Flittchen" wieder in den Sinn. „Sie meinen doch nicht... Sie schlagen mir vor ... dass ich ..."
Mit zitternden Knien straffte sie ihre Schultern und griff nach der Lampe. „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, My- lord." Sie wandte sich um und ging an ihm vorbei in Richtung Tür. Während sie das Zimmer durchquerte, konnte sie seinen Blick auf sich spüren, der sich wie Feuer durch ihre Nachtklei- der hindurch in sie zu brennen schien.
„Gute Nacht, Mrs. Temple", sagte er leise, obwohl sie bereits den Raum verlassen hatte.
5. KAPITEL
Cord stand nachdenklich im Halbdunkel seines Arbeitszim- mers. Dann hielt er einen Fidibus an das verlöschende Feuer im Kamin, um eine Lampe anzuzünden, nachdem Victoria ih- re mit sich genommen hatte. Er musste lächeln, wenn er daran dachte, wie der Abend sich entwickelt hatte. Absichtlich war er früher als geplant nach Hause zurückgekehrt, weil er glaub- te, so seinen unsichtbaren Schachgegner auf frischer Tat zu er- tappen. Und er musste sich eingestehen, dass er insgeheim ge- hofft hatte, dass es Victoria Temple sein würde.
Ihr spielerisches Geschick hatte ihn überrascht und zugleich erfreut. Es gefiel ihm, wenn Frauen intelligent waren. Seine Cousine Sarah war klug und interessant, ebenso seine Mutter, die allerdings bereits vor siebzehn Jahren gestorben war. Er konnte sich vorstellen, mit Victoria viele vergnügliche Stun- den bei einer Partie Schach zu verbringen - nachdem er zuvor noch weitaus vergnüglichere Stunden in ihrem Bett verbracht hätte.
Dorthin zu gelangen, dürfte sich aber schwieriger erweisen, als er vermutet hatte.
Cord goss sich einen Brandy ein. Heute Abend hatte er ihr gegenüber die Möglichkeit einer Übereinkunft angedeutet. Victoria konnte wohl kaum so naiv sein, nicht zu verstehen, dass sich sowohl ihre eigene Situation als auch die ihrer Schwester verbessern würde, wenn sie seine Geliebte würde. Bei der nächsten Gelegenheit würde er ihr die Vorteile einer solchen Vereinbarung genau erläutern, selbst wenn ihn ein lei-
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