Martin, Kat - Perlen Serie
entgeht Ihnen wirklich etwas. Ich heiße übrigens Robert McKay und freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu ma- chen, Miss ..."
„Loon. Caroline Loon. Ich arbeite für Miss Duval, eine von Mr. Wentz' Wochenendgästen."
„Ah, das erklärt natürlich alles."
„Was erklärt es?"
„Sie sind aus England. Ich habe diese ganz spezielle Sprach- melodie schon eine Weile nicht mehr gehört."
Er meinte wohl ihre verfeinerte Art der Aussprache. Obwohl ihre Familie nicht sehr wohlhabend gewesen war, hatte Caro- line eine gute Ausbildung erhalten und sprach auf die kurz und klar pointierte Weise der britischen Oberschicht.
Ihr war sofort aufgefallen, dass Roberts Tonfall genauso klang. „Sie scheinen aber auch Engländer zu sein."
„Das war ich tatsächlich einmal. Aber jetzt bin ich Amerika- ner, wenngleich nicht ganz freiwillig."
Emma stellte einen Teller mit einem großen Stück Apfelku- chen vor Robert McKay auf den Tisch, und sobald Caroline der verlockende Duft in die Nase stieg, begann ihr Magen vernehm- lich zu knurren.
„Wusste ich es doch!" Robert lachte. „Emma! Miss Loon möchte auch etwas von deinem wunderbaren Kuchen."
Emma strahlte und brachte Caro ein etwas kleineres Stück. Robert wartete höflich, bis Caroline den ersten Bissen genom- men hatte, dann stürzte er sich selbst auf seinen Teller wie ein Mann, der eine ganze Woche lang nichts zu essen bekommen hatte - was Caro in Anbetracht seines kraftvollen, muskulösen Körpers sehr unwahrscheinlich schien ...
Wie er versprochen hatte, war der Kuchen einfach köstlich, und der wunderbare Duft von Zimt und gebackenen Äpfeln er- füllte die Küche. Aber einem so gut aussehenden Mann gegen- überzusitzen lenkte Caro sehr von ihrem Essen ab.
„Arbeiten Sie für Mr. Wentz?", fragte sie, als er gerade den letzten Bissen verzehrte.
McKay schüttelte den Kopf und schluckte. „Ich bin mit Edmund Steigler hier. Ich bin sein Diener." Er sprach das Wort mit einer solchen Verachtung aus, dass Caro überrascht ihre blonden Augenbrauen hob. „Zumindest werde ich das für
die nächsten vier Jahre sein."
„Gefällt Ihnen die Arbeit nicht?"
Er lachte, doch es klang bitter. „Ich bin vertraglich an Steig- ler gebunden. Er hat sieben Jahre meines Lebens gekauft, und ich habe ihm erst drei abgegolten."
„Ich verstehe." Aber eigentlich verstand sie überhaupt nichts. Warum sollte ein gebildeter Mann, der McKay ganz of- fensichtlich war, sich in die Dienste eines anderen verdingen?
„Warum?" Die Frage war ihr herausgerutscht, ehe sie sie zu- rückhalten konnte.
McKay sah sie mit erneutem Interesse an. „Sie sind die Erste, die mich das fragt."
Caro betrachtete verlegen ihren halb vollen Teller und wünschte, sie hätte nichts gesagt. „Sie müssen nicht antwor- ten. Es geht mich wirklich nichts an." Sie sah wieder zu ihm auf. „Es ist nur ... dass Sie den Eindruck eines Mannes ma- chen, dem es gar nicht in den Sinn käme, sich freiwillig in Leib- eigenschaft zu begeben."
McKay sah sie einen Moment nachdenklich an, dann warf er einen kurzen Blick auf die anderen in der Küche. Emma war da- mit beschäftigt, Brotteig zu kneten, und die Küchenmädchen schrubbten emsig Pfannen und Töpfe.
„Ich sollte für ein Verbrechen bestraft werden, das ich nicht begangen hatte, und musste in großer Eile England verlassen. Allerdings hatte ich nicht genügend Geld, um mir eine Schiffs- karte leisten zu können, und da entdeckte ich eine Anzeige im ,London Chronicle', in der Dienstboten gegen den Preis der Leibeigenschaft die Überfahrt nach Amerika geboten wurde. Der Mann hinter der Anzeige war Edmund Steigler, und sein Schiff sollte am folgenden Morgen auslaufen. Ich habe ihn so- fort aufgesucht, er hat keine Fragen gestellt, ich habe die Pa- piere unterschrieben, und so kam ich hierher."
Caro starrte ihn mit großen Augen ungläubig an. „Warum er- zählen Sie mir das? Haben Sie denn keine Angst?"
Robert zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Was könnten Sie denn schon tun? Es Steigler erzählen? Ihm wäre das gleich- gültig. Außerdem werde ich in England gesucht und nicht in Amerika."
„Aber wenn Sie wirklich unschuldig sind, müssen Sie zu- rückkehren und Ihre Unschuld beweisen!"
McKay lachte bitter. „Sie sind wirklich eine Träumerin, mei-
ne Gute. Ich habe immer noch kein Geld und schulde Steigler zudem weitere vier Jahre." Als er den besorgten Ausdruck in ih- rem Gesicht sah, streckte er seine Hand aus und berührte leicht ihre Wange.
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