Martin, Kat - Perlen Serie
keine Möglichkeit für ein Gespräch ergeben. Etwas später am Abend sah sie ihn auf einmal entschlossenen Schrittes auf sich zukommen.
„Ich muss mit dir reden", sagte er ohne Umschweife. „Ich hatte auf eine bessere Gelegenheit gehofft, aber morgen früh reisen wir ja schon wieder ab. Es ist wichtig, Danielle."
„Ich weiß nicht ... Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn wir ..."
„Ich warte in dem Pavillon im hinteren Teil des Gartens auf dich." Er drehte sich um und ging fort, noch bevor sie ihm wi- dersprechen konnte.
Danielle war verärgert, dass er ihr keine Wahl gelassen hat- te, und zugleich neugieriger, als sie sich einzugestehen wagte. In Gedanken bereits bei ihrem Treffen mit Rafael wandte sie sich wieder den anderen Gästen zu. Sie tanzte noch einmal mit Richard, aber sobald er mit Jacob Wentz ein Gespräch über die hohen Kosten der Baumwolle aus den Südstaaten begann, ging sie in den Garten hinaus.
Obwohl entlang der Kieswege einige Fackeln standen, war es doch recht dunkel. Vorsichtig ging Danielle auf dem gewun- denen Pfad zwischen Beeten mit gelben Stiefmütterchen und violetten Schwertlilien entlang in Richtung des Pavillons, der im hinteren Teil des Gartens nahe des kleinen Baches gelegen war und dessen kunstvoll gearbeitete Turmspitze sie trotz der Dunkelheit bereits erkennen konnte.
Es war gefährlich, sich hier mit Rafael zu treffen, denn Dani- elle wusste nur zu gut, was es hieß, kompromittiert zu wer- den ... Wie sollte sie erklären, dass sie sich mit dem gut aus- sehenden Duke of Sheffield in der dunklen Abgeschiedenheit des Gartens traf? Was würden Richards Freunde denken, wenn man sie beide hier zusammen entdeckte?
Ein leichter Schauder des Unbehagens lief ihr über den Rü- cken. Sie würde nie die Qualen vergessen, die sie in jener Nacht vor fünf Jahren ausgestanden hatte, oder das Leid, das sie in den Wochen darauf erleben musste, als sie von der Gesellschaft beleidigt und geächtet worden war. Und noch schlimmer war es gewesen, den Kummer zu ertragen, den der Verlust des Man-
nes, den sie liebte, ihr verursacht hatte.
Sie liebte Richard nicht so, wie sie einst Rafael geliebt hatte, aber der bloße Gedanke daran, dies alles womöglich noch ein- mal durchmachen zu müssen, ließ ihr beklommen zumute wer- den.
Während sie den Kiesweg entlangeilte, sah sie angestrengt in die Dunkelheit. Rafe musste bewusst sein, was sie aufs Spiel setzte, indem sie sich hier mit ihm traf. Aber sie gab seinem Wunsch lieber nach, weil sie fürchtete, dass er sie sonst nur un- ter womöglich noch ungünstigeren Umständen für eine Unterre- dung aufsuchen würde. Hier waren sie zumindest ungestört ...
Danielle konnte jetzt bereits die Umrisse des Pavillons aus- machen, einem achteckigen Bau mit aufwendigen Stuckverzie- rungen, der an den Seiten offen war und innen Sitzbänke hatte, die an der Balustrade entlang verliefen. Als sie näher kam, er- kannte sie auch den schemenhaften Umriss Rafes, der im Innern des Pavillons wartend an der Brüstung lehnte. Danielle sah sich noch einmal um, und erst als sie sicher war, dass niemand sie be- obachtete, raffte sie entschlossen den Rock ihres saphirblauen Seidenkleides zusammen und stieg die steilen Stufen hinauf. Rafe streckte die Hand aus, um ihr behilflich zu sein. „Ich habe schon befürchtet, du würdest nicht kommen."
Wenn er ihr wirklich eine Wahl gelassen hätte, wäre sie auch nicht gekommen ... „Du sagtest, es sei wichtig."
„Das stimmt."
Er führte sie zu einer der Bänke, und Danielle setzte sich. Rafe ging unruhig auf und ab, als ob er sich seine Worte noch überlegen müsse, und blieb dann schließlich vor ihr stehen und sah sie an. Im schwachen Lichtschein, den eine der Gartenfa- ckeln bis in den Pavillon warf, konnte sie in Rafes blauen Au- gen eine tiefe Verunsicherung erkennen. Ihn so zu erleben war derart ungewöhnlich, dass ihr Herz sogleich aufgeregt zu po- chen begann.
„Was ist los, Rafael?"
Er atmete einmal tief durch. „Ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll. Ich hatte dir ja erzählt, dass ich die Wahrheit da- rüber herausgefunden habe, was sich in jener Nacht vor fünf Jahren ereignet hatte."
„Ja ..."
„Ich habe dir gesagt, dass ich will, dass du glücklich bist, und dass ich glaube, dir das schuldig zu sein."
„Das hast du gesagt, aber ..."
„Aber ich glaube nicht, dass du mit Richard Clemens glück- lich wirst."
Danielle sprang empört auf. „Es interessiert niemanden, was du
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