Martin, Kat - Perlen Serie
britische Kriegsschiffe waren nun zur Verstärkung in die Region aufgebrochen. Colonel Pendleton war persönlich vorbeigekommen, um Grace eine Nachricht von Ethan zu überbringen. Bislang waren sowohl er als auch sein Schiff unversehrt davongekommen.
Doch Ende des Monats berichteten die Zeitungen fast nur noch von der großen Schlacht vor der Küste von Cadiz, bei der auch der gefeierte Lord Admiral Nelson sein Leben gelassen hatte. Im Chronicle wurden lange Listen mit den Namen der Opfer veröffentlicht, und Grace las sie mit den schlimmsten Befürchtungen. Den Berichten zufolge war die Schlacht bei Trafalgar jedoch ein ruhmreicher Sieg für England gewesen - nur fünfhundert tote Briten gegen fünftausend Opfer auf der Seite der Franzosen.
Dennoch könnte es sein, dass Ethan zu denen gehörte, die den Erfolg mit ihrem Leben bezahlen mussten, und Grace wusste, dass sie keine Ruhe finden würde, bis sie Gewissheit hatte.
Freddie war ihr in dieser Zeit ein Trost. Ethan hatte darauf bestanden, dass der Junge zu Hause blieb und sich weiter sei- nem Unterricht widmete. Auch die Sterne faszinierten ihn sehr, und abends fand er sich oft ein, um mit Grace den Nachthim- mel durch das Teleskop zu betrachten. Er sorgte sich ebenfalls um seine Freunde auf See und beharrte darauf, dass Grace ihm alle Neuigkeiten aus der Zeitung vorlas.
„Der Capt'n schafft das schon", stellte er entschieden fest. „Er ist sehr vorsichtig, und die Franzosen werden ihn diesmal
nicht erwischen."
Grace wollte hoffen, dass der Junge Recht hatte. Denn wenn Ethan etwas geschah ...
Ihr Herz setzte einen Moment aus.
Nein, Grace wollte sich das gar nicht erst vorstellen.
Von Norden her blies ein harscher Wind, der das Meer auf- peitschte und den Wogen weiße Schaumkronen aufsetzte. Das Deck der Sea Devil schwankte unter Ethans Füßen, und er stemmte sich mit beiden Beinen gegen das wilde Auf und Ab der Wellen. Über ihm knatterten die Segel im Wind, aber er hörte es kaum, denn er dachte an zu Hause ... und an Grace. „Was haben Sie, Capt'n? Seit einer halben Stunde schauen Sie schon aufs Meer hinaus."
Ganz in Gedanken versunken, hatte er nicht bemerkt, dass Angus zu ihm an die Reling getreten war. „Ich mache mir Sor- gen um Grace und das Kind."
Angus schnaubte. „Frauen haben schon zu allen Zeiten Kin- der auf die Welt gebracht. Das Mädel ist gesund und kräftig, und das Kind wird ganz genauso."
„Ich wünschte, ich könnte bei ihr sein. Cord hatte Recht. Ich hätte sie nicht allein lassen sollen."
„Ihnen blieb keine andere Wahl - zumindest keine, mit der Sie hätten leben können."
„Nur was ist, wenn etwas passiert und ich nicht rechtzeitig wieder zurück bin?"
Angus warf ihm einen kurzen Blick zu. „Von dem Tag an, als Sie das Mädchen an Bord gebracht haben, war mir klar, dass sie Ihnen etwas bedeutet. Aber haben Sie denn mit der Vergan- genheit Ihren Frieden geschlossen? Können Sie dem Mädchen jetzt von ganzem Herzen ein guter Ehemann sein?"
Ethan sah weiterhin auf das Meer hinaus. „Von Anfang an habe ich sie nicht so behandelt, wie sie es verdient hätte. Um die Wahrheit zu erkennen, brauchte ich jedoch diese letzten paar Wochen, die ich von Grace getrennt war."
„Lieben Sie sie?"
Seine Finger schlossen sich fest um die Reling. „Ja."
„Weiß sie das?"
Ethan schüttelte den Kopf. „Ich war mir ja selbst nicht si- cher."
„Warum zum Teufel denn nicht?"
„Weil ich mir geschworen habe, ihren Vater seiner gerechten Strafe zuzuführen. Und davon werde ich nicht ablassen."
Angus widersprach nicht, denn er wusste, dass manches eine heilige Pflicht war - und das schloss die besondere Bindung zwischen einem Kapitän und seinen Männern mit ein. „Viel- leicht wird sich mit der Zeit alles finden."
„Das hoffe ich", antwortete Ethan und bezweifelte sogleich, dass es jemals so sein würde.
„Entschuldigen Sie, Mylady." Phoebe steckte ihren Kopf durch die geöffnete Schlafzimmertür. „Das ist gerade für Sie gekom- men." Sie hielt Grace einen gefalteten Briefbogen entgegen, der mit einem roten Siegel verschlossen war.
Grace runzelte die Stirn. Es war Mitte Oktober, und sie war bereits im achten Monat. Ihr Bauch war kugelrund, der Nabel stand hervor, und das Kind lag sehr tief und weit vorne, was nach Torys Meinung ein sicheres Zeichen dafür war, dass es ein Junge wurde.
„Wer hat Ihnen das gegeben?"
„Die Köchin sagte, ein Mann sei zur Hintertür gekommen und habe sie gebeten, Ihnen das zukommen zu
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