Martin, Kat - Perlen Serie
Verräter war.
Ungeduldig wartete Grace auf die Antwort ihres Vaters. Sie wusste nicht, wie oft er in der „Rose Tavern" nachfragte, ob Nachrichten für ihn unter dem Namen Henry Jennings hinter- legt worden waren, aber sie war sich sicher, dass ihr Brief ihn früher oder später erreichte.
Wahrscheinlich würde die Neuigkeit, dass Ethan bereit war, sich mit ihm zu treffen, ihn begeistern. Mit der Hilfe des Mar- quess of Belford könnte es ihm vielleicht gelingen, seine Un- schuld zu beweisen.
Grace lief durch das Haus und merkte, wie sie mit jedem Tag, der verstrich, unruhiger wurde. Obwohl alle Zimmer mitt- lerweile mit Kieferzweigen geschmückt waren und nach Tan- nengrün rochen und unzählige Kerzen das Haus in den Abend- stunden in ein warmes Licht tauchten, wollte sich bei ihr keine Weihnachtsstimmung einstellen.
Der Kaminsims im Salon war stimmungsvoll mit Stechpal- men und Mistelzweigen dekoriert. Grace meinte, dass auch die Bediensteten sich etwas beschwingteren Schrittes beweg- ten, aber sie selbst fühlte sich angespannt und glaubte, dass es Ethan ähnlich erging.
Dann, am Mittwoch, kam endlich die Nachricht, auf die Grace gewartet hatte. Bevor sie damit zu Ethan in sein Arbeits- zimmer ging, las sie den Brief in Ruhe durch.
Meine liebste Grace,
meine Gebete scheinen endlich erhört worden zu sein. Teile dem Marquess bitte mit, dass ich ihn heute Abend um neun Uhr im „Bird-in-Hand Inn" erwarte, das an der Straße nach Hampstead Heath liegt. Bete für mich, meine Liebe.
Für immer in deiner Schuld
dein Vater
Grace atmete tief durch und machte sich mit der Nachricht auf den Weg zu Ethans Arbeitszimmer. Als sie eintrat, sah er von seinen Papieren auf.
„Was gibt es?"
„Mein Vater hat sich gemeldet." Sie ging zum Schreibtisch und reichte Ethan den Brief, den er schnell überflog.
„Heute Abend also", stellte er mit finsterer Miene fest. Grace wurde beklommen zu Mute, als sie seinen Gesichts- ausdruck sah. Sie konnte nur hoffen, das Richtige getan zu ha- ben.
Das „Bird-in-Hand Inn" machte einen sauberen und behag- lichen Eindruck. Sowohl der Speisesaal als auch der Schank- raum waren weihnachtlich geschmückt, und der Landgasthof schien hauptsächlich von Bewohnern aus dem Dorf besucht zu werden, meist Pächter kleiner Höfe, und einigen Gutsbesit- zern mit ihren Frauen und Söhnen.
In einer Ecke im hinteren Teil des Schankraumes erhob sich ein groß gewachsener, schlanker Mann mit einem grauen Bart und einer Brille. Als Grace ihn sah, begann ihr Herz laut zu po- chen.
„Dort drüben", ließ sie Ethan wissen, der sie bei der Hand nahm und ihr folgte.
Während sie sich ihren Weg durch den Raum bahnten, warf Grace ihrem Mann einen kurzen Blick zu. Sein Gesicht war wie versteinert und seine Lippen zu einer dünnen, bitteren Linie zusammengepresst. Sie spürte, wie ihre eigene Anspan- nung mit jedem Schritt zunahm.
Bitte, lass ihn zuhören, flehte sie im Stillen.
„Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind, Mylord", sagte ihr Vater und neigte höflich seinen Kopf.
„Ich habe Grace versprochen, dass ich mir anhören würde, was Sie zu sagen haben", erwiderte Ethan mit unbewegter Miene.
„Um mehr bitte ich auch gar nicht. Aber warum setzen wir uns nicht? Dann werde ich Ihnen alles nach bestem Wissen und Gewissen erzählen und hoffe, dass Sie die Wahrheit in meinen Worten erkennen."
Ethan antwortete nicht. Eine Bedienung kam vorbei, und sie bestellten eine Runde Ale, um unter den anderen Gästen nicht aufzufallen. Kurz darauf wurden ihnen drei randvoll gefüllte Zinnbecher gebracht, und sobald sie wieder unter sich waren, begann der Viscount mit seiner Geschichte.
Er berichtete kürz von den Informationen, die den Franzo-
sen zugespielt worden waren. Hauptsächlich handelte es sich um Pläne von Schiffsrouten, Treffpunkten und die Namen von Leuten, die auf dem Kontinent verdeckt für die britische Kro- ne arbeiteten.
„Sie sprechen von Freibeutern und britischen Spionen", stellte Ethan gereizt fest. „Sie waren einer der wenigen, die die Namen der Schiffe und ihrer Kapitäne kannten - Schiffen wie der Sea Witch. Sie wussten auch, welche Engländer in Frank- reich arbeiteten und wo sie zu finden wären."
„Als Vorsitzender des Ausschusses für ausländische Angele- genheiten waren mir viele kriegswichtige Informationen an- vertraut, und ich hätte eher mein Leben gegeben, als sie dem Feind preiszugeben."
Skeptisch musterte Ethan den Viscount. Grace konnte schwer sagen, ob er
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