Martin, Kat - Perlen Serie
ihrem Vater glaubte oder nicht. „Sprechen Sie weiter."
„Nach meiner Flucht aus dem Gefängnis haben einige gute Freunde mir geholfen. Sie haben mir Geld geliehen und ver- suchten herauszufinden, wer außer mir noch Zugang zu den vertraulichen Informationen hatte und sie den Franzosen ver- kauft haben könnte."
„Und?"
„Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ist der Name des Verrä- ters Martin Tully, Earl of Collingwood." Ihr Vater berichtete Ethan von dem jungen Mann, Peter O'Daly, der manchmal sein Büro in Whitehall sauber machte und zugegeben hatte, die Be- richte auf dem Schreibtisch des Viscounts gelesen zu haben. „Man hatte geglaubt, dass der Junge des Lesens gar nicht mächtig sei. Stattdessen hat er sich Notizen gemacht und sie an Lord Collingwood verkauft."
„Wo ist der Junge jetzt?"
Der Viscount seufzte. „Nun ja, das ist ein kleines Problem. Nachdem er befragt worden war, ist es ihm gelungen zu flie- hen. Seitdem fehlt von ihm jede Spur."
„Das muss Ihnen sehr gelegen kommen."
„Überhaupt nicht. Wenn Peter O'Daly jetzt hier wäre, könn- ten Sie von ihm selbst die Wahrheit erfahren."
Ethan schien sich dies durch den Kopf gehen zu lassen. „Gibt es sonst noch etwas?"
„Bevor die Staatsgeheimnisse entwendet wurden, war Lord Collingwood hoch verschuldet." Grace' Vater berichtete wei-
ter, dass die finanziellen Schwierigkeiten des Earls nach dem
Diebstahl behoben schienen. Der Viscount wies auch darauf
hin, dass der Landsitz von Collingwood in der Nähe von Folke-
stone in einem Gebiet lag, das bei Schmugglern sehr beliebt
war.
„An der Küste gibt es unzählige Höhlen, die von den Fran-
zosen seit Jahren genutzt werden. Der Earl könnte sich dort
heimlich mit dem Feind getroffen haben."
Ethan nahm einen Schluck Ale, um Zeit zu gewinnen, über
das Gehörte nachzudenken. „Sonst noch etwas?"
„Im Moment nicht. Nur da meine finanziellen Reserven so
gut wie aufgebraucht sind und ich mich nicht frei bewegen
kann, hoffe ich, dass Sie, Mylord, die noch fehlenden Teile des
Puzzles ergänzen könnten - zumindest so weit, bis ich meine
Unschuld beweisen kann."
Ethan nahm einen weiteren Schluck und setzte den noch
fast vollen Becher auf dem Tisch ab. „Ich werde sehen, was ich
tun kann." Er schob seinen Stuhl zurück und reichte Grace sei-
nen Arm. „Eines kann ich Ihnen allerdings versprechen: Sollte
ich im Laufe meiner Erkundigungen herausfinden, dass Sie es
doch waren, und nicht Collingwood oder jemand anders, dann
werden Sie auch derjenige sein, der an den Galgen kommt."
Grace erschauderte. Der Viscount setzte gerade zu einer Er-
widerung an, als die Hintertür des Gasthofs aufgestoßen wur-
de. Im selben Moment stürmte ein Dutzend Soldaten in roter
Uniform durch den Vordereingang in den Schankraum.
Grace fuhr herum. „Laufen Sie, Vater!"
Aber die Soldaten, die durch die Hintertür gekommen wa-
ren, hatten den Viscount bereits ergriffen.
Ein ihr nur zu gut bekannter Offizier mit silbergrauem Haar
und einer scharlachroten Uniformjacke, auf der die Messing-
knöpfe glänzten, trat nun vor. „Ich verhafte Sie wegen Landes-
verrats, Viscount Forsythe. Das Urteil, dem Sie sich bislang ent-
zogen haben, wird in vier Tagen in den frühen Morgenstunden
vollstreckt werden."
„Nein!", schrie Grace. „Er ist unschuldig!"
Ethan zog sie beiseite, aber sie riss sich von ihm los.
„Du hast mich belogen! Du hast dein Wort gebrochen, und
das werde ich dir nie verzeihen!" Sie raffte ihren Rock zusam-
men und rannte zur Tür. „Grace, warte!" Ethan lief ihr hinterher und erreichte sie,
als sie bereits die Treppe des Gasthofs hinuntereilte. Er über- holte sie und stellte sich vor sie.
„Geh mir aus dem Weg! Ich hasse dich! Du bist ein Lügner und ein Betrüger, und ich werde dir nie verzeihen, was du ge- tan hast!" An ihm vorbei rannte sie in die Dunkelheit, doch Ethan griff sie rasch beim Arm und wirbelte sie zu sich he- rum. Er drängte sie einige Schritte zurück, bis sie sich mit dem Rücken gegen einen Baum fand.
„Ich habe es niemandem gesagt, verdammt noch mal! Ich habe keine Ahnung, wie Pendleton erfahren hat, dass dein Vater hier sein würde. Von mir weiß er es auf jeden Fall nicht!"
„Du lügst!" Sie holte mit der Faust nach ihm aus, Ethan fing allerdings ihren Schlag ab und hielt ihr Handgelenk fest. Als sie mit der anderen Hand ausholte, griff er auch nach dieser. Er hielt ihre beiden Hände über ihrem Kopf fest und lehnte sich mit der
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