Martin, Kat - Perlen Serie
Familie, danach wuchsen wir drei Kinder beim Earl und der Countess of Brant auf." „Cords Eltern?"
„Genau. Die Countess war die Schwester meines Vaters."
„Wie ... sind deine Eltern gestorben?"
Ethan sah aus dem Fenster, und die schmerzliche Erinne- rung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Sie hatten in Lon- don einen Unfall mit ihrer Kutsche. Mein Vater hat noch einige Tage überlebt, aber seine Verletzungen waren so schwer, dass auch er gestorben ist."
„Wie alt warst du zu der Zeit?"
„Erst acht - aber ich erinnere mich noch ganz genau an mei- ne Eltern."
Und du vermisst sie sehr, vermutete Grace. Genauso wie sie selbst ihr ganzes Leben lang die Liebe eines Vaters hatte ent- behren müssen. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. Obwohl er ihr Ehemann war, wusste sie so wenig über ihn. Vielleicht würde er ihr mehr über seine Vergangenheit erzählen, wenn sie sich erst einmal eingelebt hatten.
Die Mietkutsche fuhr nun am Haus vor, und zwei blonde Hausdiener in hellblauer Livree kamen die Vordertreppe he- runtergeeilt, um ihnen behilflich zu sein. Als Grace aus der Kutsche stieg, fiel ihr auf, dass alles einen sehr gepflegten Ein- druck machte. Der Rasen war frisch geschnitten, und in einem kleinen Teich blühten Seerosen. Doch sobald sie das Haus be- trat und unter dem riesigen Kronleuchter in der Eingangshalle stand, bemerkte sie, dass die Wände schon lange nicht mehr gestrichen worden und die Teppiche nicht weniger durchgelau- fen waren als die Tante Matildas.
Sie sah zu Ethan hinüber und stellte fest, dass er die Stirn runzelte. „Meine Schwägerin sagte mir bereits, dass einige Re- paraturen notwendig seien, und sie hatte allem Anschein nach Recht. Wenn ich zurück in der Stadt bin, werde ich alles Not- wendige veranlassen."
Wenn ich zurück in der Stadt bin, dachte Grace. Ich, hatte er gesagt, nicht wir ... und in banger Vorausahnung fröstelte sie. Ob er wirklich vorhatte, sie hier allein zu lassen und ohne sie nach London zurückzukehren?
Nur blieb ihr keine Zeit, ihn danach zu fragen, denn eine zier- liche blonde Frau, die ganz in Schwarz gekleidet war, kam nun leichten Schrittes auf sie zu.
„Ethan! Wie schön, dich wiederzusehen! Du warst einfach zu lange fort." Lady Belford, die vielleicht sechs oder sieben Jahre älter war als Grace, schien sich aufrichtig über ihre An- kunft zu freuen.
„Es war sehr nachlässig von mir, mich so lange nicht hier se-
hen zu lassen." Ethan beugte sich zu ihr herunter und küsste sie leicht auf die Wange.
„Das war es in der Tat, aber nun, wo du wieder da bist, soll dir verziehen sein." Die junge Witwe wandte sich lächelnd um. „Und Sie müssen Grace sein. Ich freue mich, Ethans Braut ken- nen zu lernen."
„Die Freude ist ganz meinerseits." Ethan hatte ihr nur sehr wenig über die Frau seines verstorbenen Bruders Charles er- zählt. Grace wusste nicht viel mehr, als dass Charles während Ethans Gefangenschaft an einer Grippe gestorben war und dass Harriet sehr um ihn trauerte. Letzteres war offensichtlich, denn obwohl sie herzlich lächelte, wirkten ihre Augen leicht ge- rötet und um ihren Mund zeigte sich ein schmerzlicher Zug, den sie tapfer zu überspielen versuchte.
„Der Hausmeister hat das Herrenzimmer herrichten lassen. Ich bin mittlerweile in das Witwenhaus gezogen."
„Das hättest du nicht tun müssen", sagte Ethan ärgerlich. „Ich bin nicht mit der Absicht hier, dich aus deinem Haus zu vertreiben."
„Das Haus gehört jetzt dir, Ethan. Außerdem ist das Witwen- häuschen sehr schön. Vielleicht erinnerst du dich noch, dass deine Mutter es kurz vor ihrem Unfall hat umbauen lassen. Und nachdem Charles Marquess geworden war, hat er es ganz besonders gehegt und gepflegt. Es schien ihm sehr am Herzen zu liegen."
„Charles hatte erwähnt, auch im Haupthaus einige Arbeiten vornehmen zu lassen." Ethan ließ seinen Blick über die verbli- chenen Tapeten und die abgestoßenen Marmorböden schwei- fen. „Leider scheint er dazu nicht mehr gekommen zu sein." „Nein ..." Harriet senkte den Blick. „Gerade hatten wir be- gonnen, uns Gedanken über die Renovierung zu machen, da wurde er krank."
Ethan wandte sich an Grace. „Du bist nun die Marchioness. Vielleicht möchtest du dich dieser Aufgabe annehmen."
Schon wieder schien er anzudeuten, dass sie auf dem Land bleiben sollte. Fragend schaute sie ihn an und versuchte, sich über seine Absichten klar zu werden. Er wirkte distanzierter als jemals zuvor, und ihr wurde bang ums Herz.
Weitere Kostenlose Bücher