Martin, Kat - Perlen Serie
sagen, wie froh ich bin, Sie hier in Bei- ford zu haben. Ohne Charles ist es hier sehr einsam."
„Es muss furchtbar für Sie gewesen sein ... Ihren Mann so plötzlich zu verlieren."
Harriet seufzte. „Ich war am Boden zerstört. Den einen Tag war er noch froh und munter, und auf einmal ... war er nicht mehr bei mir." Tränen stiegen ihr in die Augen, und Grace merkte, wie sehr sie sich bemühte, nicht zu weinen. „Ich habe ihn unendlich geliebt. Wir wollten ein Kind haben, aber das sollte nicht sein."
Grace wandte den Blick ab und spürte, wie ihr das Blut heiß in die Wangen stieg.
„Das muss Ihnen nicht unangenehm sein, meine Liebe. Sie erwarten ein Kind, nicht wahr?"
Überrascht sah Grace sie an. „Woher wissen Sie das?"
„Ich sehe es Ihnen an. Sie strahlen förmlich. Außerdem wüsste ich nicht, was meinen Schwager sonst vor den Altar ge- bracht haben könnte. Ethan ist ein schwieriger Mann. Er hat viel Leid erlebt, das hat ihn bitter werden lassen und ihm die Zuversicht genommen. Ich wünschte, es gelänge Ihnen, ihn aus dieser Finsternis herauszuführen."
Grace schluckte. Nun war sie es, der die Tränen kamen, sie wollte indes nicht vor einer Frau weinen, die sie kaum kannte. Doch Harriets Worte hatten Gefühle in ihr geweckt, die sie an- sonsten sorgsam unter Verschluss hielt.
Lady Belford bot Grace ein hübsch besticktes Taschentuch an. „Sie dürfen nicht weinen, meine Liebe. Wenn ich Sie so se- he, muss ich nur wieder an Charles denken, und dann breche ich auch in Tränen aus."
Grace tupfte sich die Augen trocken. „Es tut mir Leid. Ich wollte das nicht, es ist nur so, dass ..."
„Was, meine Liebe?"
„Ich habe Ethan einmal von ganzem Herzen geliebt. Viel- leicht habe ich ihn so sehr geliebt, wie Sie Charles geliebt ha- ben."
„Und nun lieben Sie ihn nicht mehr?"
Grace hielt sich das Taschentuch an die Nase. „Wie soll ich einen Mann lieben, dem ich gleichgültig bin?"
Lady Belford nahm ihre Hand und drückte sie leicht. In die- sem Moment vernahmen sie beide das Geräusch des Servierwa- gens.
„Wie gut, dass Colson nun den Tee bringt. Mir scheint, wir brauchen beide eine kleine Stärkung."
Nachdem der grauhaarige Butler den Wagen neben dem So- fa abgestellt, das Zimmer wieder verlassen und die schweren Mahagonitüren hinter sich zugezogen hatte, goss Lady Belford den dampfend heißen Tee in zwei Porzellantassen mit Gold- rand und gab in Grace' Getränk noch ein Stück Zucker hinein, bevor sie es ihr reichte.
„Nun ... was hat es mit Ihnen und Ethan auf sich? Wollen Sie andeuten, dass er bereits wieder abgereist ist, weil er Sie nicht liebt?"
Verkrampft hielt Grace ihre Tasse in der Hand. „Abgesehen von einem Verlangen, wie es wohl jeder Mann zu haben scheint, kommt es mir vor, als könne Ethan meine Gegenwart kaum er- tragen." Sie sah Harriet an und wünschte sich, sie könnte ihrer Schwägerin die Wahrheit sagen. Nur wie sollte sie es erklären, ohne dabei auch das Geheimnis ihres Vaters zu lüften? Und das konnte sie unmöglich.
„Es ist eine lange Geschichte", sagte sie stattdessen. „Aber ich bin wahrlich die letzte Frau auf der Welt, die er zu heiraten wünschte."
„Warum hat er es dann getan?"
Grace zuckte die Schultern. „Ich erwarte sein Kind, und Ethan ist ein Ehrenmann."
Harriet lächelte leicht. „Wahrscheinlich kennen Sie meinen Schwager nicht annähernd so gut, wie Sie glauben."
„Was meinen Sie damit?"
„Wenn Ethan Sharpe Sie wirklich um nichts in der Welt hät- te heiraten wollen, dann hätte ihn auch nichts dazu bewegen können."
16. KAPITEL
Auf den Mai folgte der Juni, und der Garten blühte in üppigen Farben. Zwischen Harriet und Grace begann gleichsam eine Freundschaft aufzublühen, für die Grace unendlich dankbar war.
Die beiden Frauen hatten beschlossen, Belford Park gemein- sam zu renovieren, und bereits in der Woche nach Ethans Ab- reise mit den Vorbereitungen begonnen. Das Haus erwachte wie eine Blume im Frühling zu neuem Leben, und es wimmelte nur so von Handwerkern, die neue Teppiche oder neues Par- kett verlegten, von Dachdeckern, Polsterern, Stoffhändlern und Dekorateuren. Die Arbeit half Grace, sich von dem Mann abzulenken, der ihr nicht aus dem Kopf wollte.
Abends verbrachte sie viele schöne Stunden damit, ihr Inte- resse an den Sternen mit Harriet zu teilen. Nach dem Dinner sahen sie oft in den Nachthimmel und unterhielten sich dabei über die griechischen und römischen Mythen, von denen die Sternbilder
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